Madrid (dpa) - Die favorisierten Italiener waren bitter enttäuscht und gingen leer aus: Vor dem Stadion von Real Madrid hat sich Tom Boonen bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft etwas überraschend zum König der Sprinter küren lassen.
Der 25-jährige Belgier, der im Frühjahr das begehrte Double Paris-Roubaix und Flandern-Rundfahrt gewann, war auf dem schnellen WM-Kurs durch die spanische Haupstadt im Sprint einer Spitzengruppe nicht zu bezwingen. Der mit großen Ambitionen gestartete Vize-Weltmeister Erik Zabel (Unna) konnte sich nicht unter den ersten 23 Fahrern platzieren, die den Schlussspurt unter sich ausmachten.
Auch für den Supersprinter Alessandro Petacchi (Italien), mit dem Zabel in der kommenden Saison im neuen Team Milram zusammenfährt, war der 273 Kilometer lange Kurs mit zwei Steigungen pro Runde zu schwer. Bester deutscher Profi war als Achter Andreas Klier von T-Mobile. Aber gegen den Belgier, der die Tour de Fance nach zwei Etappensiegen nach einem schweren Sturz aufgeben musste, hatte auch der Münchner keine Chance. Der enttäuschte Zabel wurde 29. mit 25 Sekunden Rückstand, Petacchi zeitgleich 35.
Nach 13 Runden verwies Boonen, der sich zuletzt bei der Spanien-Rundfahrt bei Etappenspurts zurückhielt, die große spanische Hoffnung Alejandro Valverde und die französische Überraschung Athony Geslin auf die Plätze: Die Favoriten waren düpiert.
Zabel hatte sich mit einer - auch ohne Jan Ullrich - starken deutschen Mannschaft viel ausgerechnet. Doch die dritte WM-Medaille seiner Karriere blieb aus. «Natürlich bin ich enttäuscht, denn ich bin unter Wert geschlagen worden. Ich bin gutes Rennen gefahren, habe aber zu sehr auf Petacchi geachtet und nicht auf Boonen», sagte Zabel, der am 9. Oktober (Paris-Tours) sein letztes Rennen für das T-Mobile-Team bestreitet.
Drei Runden vor Schluss hatte sich die erste viel versprechende Ausreißergruppe mit Fabian Wegmann (Münster), Olympiasieger Paolo Bettini (Italien), Valverde und dem australischen Sprinter Allan Davis gebildet. Die zehn Fahrer hatten sich 42 Kilometer vor dem Ziel einen Vorsprung von einer Minute erarbeitet. Die letzte Runde eröffneten sie mit einem Vorsprung von nur noch 15 Sekunden. 16 Kilometer vor Schluss hatte das Feld wieder aufgeschlossen. Doch Bettini gab keine Ruhe und auch Alexander Winokurow attackierte ständig.
Auf die Zielgerade waren dann 23 Fahrer, unter ihnen auch Klier, mit geringem Vorsprung vor den ersten Verfolgern eingebogen. Das war der Grund, warum die deutschen Fahrer dahinter nicht mehr alles taten, um noch heranzufahren. «Wir waren im Zwiespalt. Fahren, oder auf Kliers Stärke vertrauen. Wir hätten 50 Meter zuzufahren gehabt», sagte Routinier Rolf Aldag (Ahlen). Der Achtplatzierte war mit seiner Leistungen zufrieden: «Nicht aber mit dem Platz. Ich wäre gerne aufs Treppchen gefahren», sagte der in Belgien lebende Klier.
Nach Gold von Regina Schleicher - der einzigen WM-Medaille für den Bund Deutscher Radfahrer - konnte der deutsche Verbands-Vize Udo Sprenger eine teilweise positive Bilanz ziehen, auch wenn die Ausbeute geringer als im Vorjahr ausfiel: «Vor allem die Leistungen der Frauen sind nicht hoch genug zu bewerten. Das war eine Vorstellung aus dem Lehrbuch. Auch die jungen U23-Fahrer haben Freude gemacht.»
«Nach meinem Super-Frühjahr, womit ein Traum in Erfüllung ging, und der guten Tour hatte ich eine schwere Zeit. Viele haben gesagt, Boonen hat keine Form mehr. Aber ich habe mich konzentriert auf die WM vorbereitet: Es ist nicht wichtig, im Vorfeld vier oder fünf Etappen bei der Vuelta zu gewinnen. Heute war der entscheidende Tag», sagte Sonnyboy Boonen, der in Belgien dem großen Idol Johan Museeuw schon fast den Rang abgelaufen hat.