Paris (rad-net) - Am Freitag beginnen in Paris die Olympischen Spiele 2024. Mit welchen Erwartungen und Medaillenchancen der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in den Disziplinen Bahn, BMX, Mountainbike und Straße starten wird, darüber sprachen wir mit BDR-Sportdirektor Patrick Moster.
Wenn man Trainer oder Sportler vor der Abreise nach Paris befragte, was sie sich vorgenommen haben, kam oft die zögerliche Antwort, Top-Acht. Jetzt mal konkret Herr Moster, was können wir in Paris erwarten?
Patrick Moster: Eine konkrete Anzahl an Medaillen zu nennen ist schwierig. Festhalten möchte ich, dass es schon ein großer Erfolg für unseren Verband ist, dass wir - mit Ausnahme im BMX Freestyle der Männer - in allen Disziplinen am Start stehen, und wir so die Chance haben, herausragende Leistungen zu zeigen. Wenn wir uns an den gezeigten Vorleistungen orientieren, muss es unser Ziel sein, mindestens so gut wie in Tokio, eher besser abzuschneiden.
Die größten Medaillenchancen gibt es wieder auf der Bahn. In Tokio gewann der BDR einmal Gold und einmal Silber. Wie hoch liegt die Messlatte für Paris?
Moster: Auf der Bahn haben wir die höchste Anzahl an Entscheidungen, jeweils sechs bei den Männern und sechs bei den Frauen. Wir sind in allen Disziplinen mit der maximalen Starterzahl qualifiziert. Das sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Olympia-Teilnahme. Aber auch hier gibt es keine Medaillenvorgabe. Sport ist nicht zu 100 Prozent berechenbar. Es sind Menschen, die über Sieg und Niederlage entscheiden.
Sie haben im Vorfeld kritisiert, dass der BDR aufgrund eingeschränkter Akkreditierungen nicht genügend «Personal» mitnehmen kann. Ist das nicht für alle gleich? Und können Sie das etwas konkretisieren?
Moster: Die Rahmenbedingungen sind nicht zu vergleichen mit Weltmeisterschaften. Dort können wir die Sportler besser betreuen, weil wir mehr Personal und mehr wissenschaftliche Unterstützung eigenverantwortlich akkreditieren können. Bei Olympischen Spielen muss man mit dem Kontingent leben, das der DOSB verteilen kann. Der Anzahl der Athleten wird eine bestimmte Anzahl an Betreuern zugeteilt und da bekommt eine Sportart mit besserer Medaillenprognose auch mal einen Physiotherapeuten mehr als eine andere. Das ist durchaus nachvollziehbar, bedeutet aber für andere Sportarten, dass vielleicht ein deutscher Betreuer fehlt, während die ausländische Konkurrenz möglicherweise besser aufgestellt ist, weil dort die Verteilungskriterien andere sind.
Die Bahnfahrer logieren draußen in der Nähe der Radrennbahn. Damit geht den Sportlern aber das Flair, das Olympische Spiele ausmachen, verloren, oder?
Moster: Etwa 70 Prozent unserer Mannschaft wohnt nicht im Dorf. Das ist einerseits Schade, aber notwendig. Wir haben uns für Quartiere nahe der Sportstätten entschieden, weil wir glauben, dass sich die Sportler so besser auf ihren Sport fokussieren können, da ihnen beispielsweise längere Anfahrten erspart bleiben. Das geht leider zulasten des Olympischen Flairs.
Im Mountainbike gibt es erstmals seit Sabine Spitz wieder Chancen auf eine Medaille. Was trauen Sie Luca Schwarzbauer zu?
Moster: Beide Fahrer, Luca Schwarzbauer und auch Julian Schelb, können in die Top-Acht fahren, vielleicht sogar in die Top-Fünf. Wenn alles am Wettkampftag passt, dann können sie sogar an einer Medaille kratzen.
Auf der Straße gibt es bei den Männern nur zwei Startplätze. Ist da überhaupt eine Top-Platzierung möglich?
Moster: Olympische Straßenrennen sind mit keinem anderen Straßenrennen vergleichbar, weil nur ein sehr begrenztes Teilnehmerfeld zugelassen ist, nämlich 90 Sportlerinnen und Sportler, maximal vier Sportler pro Nation. Die Charakteristik des Rennens wird also eine völlig andere sein, als beispielsweise bei einer Weltmeisterschaft. Es werden intelligente Rennfahrer mit einem guten Renninstinkt gefragt sein, und da haben wir mit Max Schachmann und Nils Politt bei den Männern, und mit Liane Lippert, Franziska Koch und Antonia Niedermaier bei den Frauen gute Chancen, erfolgreich abzuschneiden.
Welchen Vorteil hat die Nähe des Olympischen Standortes für Ihren Verband und Ihre Athleten?
Moster: Im Vergleich zu Tokio müssen wir uns weder zeitlich noch klimatisch anpassen. Wir kennen die klimatischen Bedingungen, uns sind teilweise die Wettkampfstätten bekannt, und wir haben eine kurze Anreise. Die Zeitfahrer können nach ihrem Rennen sogar noch mal nach Hause in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren. Und der eine oder andere darf sich über Familie und Freunde freuen, die live dabei sein können, sofern sie denn Karten bekommen haben.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Paris sind extrem hoch. In wie weit wird das den Ablauf der Spiele beeinflussen?
Moster: Man muss Zeit einplanen, weil an den Eingängen streng kontrolliert wird. Ansonsten denke ich nicht, dass die Sicherheitsmaßnahmen Einfluss auf den Sportbetrieb haben, denn sie sind in der Regel «unsichtbar». Ich hoffe auf fröhliche und friedliche Spiele, die jedem Teilnehmer unvergesslich bleiben werden.
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