Berlin (dpa) - Die Oppositions-Front gegen Rudolf Scharping wird breiter und seine Position einsamer.
Nach dem Funktionärs- und Sportler-Streit um die Zulassungs-Kriterien für geständige Doper wie Erik Zabel, Christian Henn oder Rolf Aldag hat sich jetzt mit dem Rückzug der drei führenden Köpfe der Anti-Doping-Kommission in Professor Fritz Sörgel auch ein renommierter Sportwissenschaftler gegen den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und dessen Präsidenten gestellt. Die 17 Präsidenten der Landesverbände wollen bei den Titelkämpfen in Stuttgart zu ihrer turnusmäßigen Sitzung zusammentreten, angeblich wollten sie dabei auch das Thema «Führungs-Schwäche im BDR» behandeln. Eine Tageordnung gebe es nicht, sagte dazu Scharping, dessen Vize Harald Pfab in der Vorwoche Kritik am Chef zurückgewiesen hatte.
14 Tage vor der WM im eigenen Land musste der BDR durch das vorläufige Aus der unabhängigen Kommission mit dem Sportwissenschaftler Sörgel einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Während der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg für den Schritt inhaltliche Differenzen verantwortlich machte, wies Scharping auf die Unfinanzierbarkeit der Kommissions-Forderungen hin. «Für die Zeit von Juli 2007 bis April 2008 betrug der geforderte Finanzbedarf 450 000 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Das wären 20 Prozent des Gesamtetats des Verbandes gewesen», sagte Scharping.
Der BDR-Präsident kündigte die Weiterarbeit des Gremiums in anderer Konstellation an. Teile der Kommission, in der auch der ehemalige Bundes-Verkehrsminister Kurt Bodewig, der ehemalige NADA-Vorstand Dirk Clasing, Team-Manager Hans-Michael Holczer und Kanu-Weltverbands-Präsident Ulrich Feldhoff sitzen, würden laut Scharping weiter arbeiten.
Auf einer Telefon-Konferenz am 27. August sei mit den Gremiums-Mitgliedern Sörgel, Stephan Netzle, dem Richter am Internationalen Sportgerichtshof CAS und dem ehemaligen Schwimm-Weltmeister Michael Groß eine Reduzierung des Finanzbedarfs auf 200 000 Euro vereinbart worden. Die Kommission hätte dann aber nicht mehr dazu gestanden, meinte Scharping, der erst von einer Geschäftsreise aus Peking zurückkehrte. Der ehemalige Verteidigungs-Minister vermutet hinter dem Rückzugs-Zeitpunkt der drei Kommissions-Mitglieder ein Ränkespiel. «Für Montag war ein weiteres Gespräch vereinbart. Alle wussten, dass ich bis dahin in China bin. Schwer daran zu glauben, dass dieser Schritt zum jetzigen Zeitpunkt ein Zufall war», sagte Scharping der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Die vom BDR im Zuge umfassender Anti-Doping-Maßnahmen mit großen Erwartungen ins Leben gerufene Kommission sehe «offenbar endgültig keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit dem Verband», hatte die «FAZ» geschrieben. «Die Entscheidung ist gefallen. Ich kann diesen Bericht nicht dementieren», sagte Professor Sörgel darauf dpa. Der Mediziner bat gleichzeitig um Verständnis, dass innerhalb der Kommission vereinbart wurde, erst am 10. September eine offizielle Stellungnahme abzugeben. Zuletzt hatte sich das Gremium mehrfach kritisch über die Kooperation mit dem BDR geäußert. Nach Angaben der «FAZ» habe der BDR keine genaue Beschreibung des Auftrages geben können. Nach «Tagesspiegel»-Informationen sei für Sörgel Erik Zabels WM-Start trotz dessen Doping-Geständnisses unverständlich gewesen.
Die Kommission hätte sich nach den Worten Scharpings bereits mit dem Doping-Fall Patrik Sinkewitz, den staatsanwaltlichen Protokollen des geständigen Jörg Jaksche und den Vorwürfen gegen Bundestrainer Peter Weibel und Verbands-Arztes Georg Huber befasst. Der Ex-Minister und Kanzler-Kandidat hätte persönlich eine Bürgschaft über 30 000 Euro übernommen, um die Finanzierung zu sichern.
14 Tage vor der WM ist der Druck auf den BDR und dessen Präsidenten weiter gewachsen. Zuletzt hatten Titelaspirant Stefan Schumacher, Gerolsteiner-Chef Holczer, der zurückgetretene BDR-Vize Dieter Kühnle und die Stuttgarter Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann offen ihren Unmut über den Umgang mit dem heiklen Doping-Thema geäußert. Auch aus den Reihen des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Bundesinnenministeriums, das für die Restfinanzierung erst Grünes Licht gab, als Scharping und Weltverbands-Präsident Pat McQuaid in Berlin vorgesprochen hatten, war zumindest leise Kritik zu hören.