Frankfurt (rad-net) - Der Frauenradsport boomt. International zumindest, denn in Deutschland herrscht offenbar das Gefühl der Stagnation. Die großen internationalen Rennen sind wie die der Männer oft live im TV zu verfolgen. Auch der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) möchte den Frauenradsport weiter voranbringen und hatte deshalb diese Woche zu einem virtuellen Radsport-Forum eingeladen und sich mit Landesverbänden, Trainern und Vereinen ausgetauscht.
Die Lizenzzahlen im Frauenrennsport haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Bei der Deutschen Straßenmeisterschaft waren vor zehn Jahren 72 Fahrerinnen am Start, im letzten Jahr 74. Die Zahl der Frauenrennen in Deutschland sind dagegen von 250 im Jahr 2005 auf 305 im Jahr 2019 gestiegen.
Frauen würden oft viel später in den Radsport gehen und dann aber auch früher wieder aufhören, wenn Beruf und Familie wichtiger werden. Das müsste man ändern und an der Basis beginnen, ist die Meinung im Forum. In der Rad-Bundesliga starten Frauen und Juniorinnen gemeinsam. «Wir hoffen, dass es ihnen mehr Spaß macht, in einem größeren Feld zu fahren», sagt BDR Vizepräsident Günter Schabel. Gemeinsame Starts von Hobby- und Lizenzfahrerinnen schließt er aber schon allein aus Versicherungsgründen aus.
«Die Landesverbände müssen aufgefordert werden, mehr Trainer speziell für Mädchen zu beschäftigen. Es kann nicht sein, dass ein U15-Trainer die Mädchen mal eben so mittrainiert», meinte Dr. Nils Bräutigam. Es gibt aber auch Landesverbände, die da schon einen Schritt weiter sind. So sind beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen mit Mario Vonhof, Kostas Georgiadis beziehungsweise Steffen Uslar bereits Trainer angestellt, die sich konkret um die Nachwuchsradsportlerinnen kümmern.
Bei der Forderung eines Teilnehmers, dass es für jedes Rennen, das in der Männerklasse angeboten wird, auch ein Frauenrennen geben muss, sieht der Verband Umsetzungsprobleme. «Wir können keinem Veranstalter vorschreiben, dass er für 10, 15 Starterinnen ein eigenes Rennen einplant. Der BDR ist ja selbst kein Ausrichter, er kann nur vermitteln», so Schabel.
Positive Beispiele, wie man den Frauenradsport vorantreiben kann, zeigt auch die Hamburgerin Kathi Sigmund auf. «Wir bieten beim FC St. Pauli spezielles Frauentraining an und auch Workshops, wo wir zum Beispiel die Technik näherbringen», berichtet die aktive Trainerin, die selbst gern noch Rennen fahren würde, wenn es ein entsprechendes Angebot gäbe. In der Hansestadt hätten die Angebote für Frauen in ihrem Verein zugenommen, was sich dann auch an gestiegenen Mitgliederzahlen zeige. Sie kritisierte aber das generell zu geringe Wettkampfangebot. «Es kann doch nicht sein, dass es die Young Cyclassics nur für Jungs gibt.»
Weil noch immer die Starterfelder der Frauen insbesondere in den Nachwuchsklassen so gering sind, werden sie oft gemeinsam mit den männlichen Altersgenossen ins Rennen geschickt. Darin sieht Christian Lichtenberg aus Irschenberg ein Problem. «Man muss mehr Nachsicht zeigen, mehr auf die Mädchen eingehen, dass sie den Spaß behalten und ihnen niederschwellige Angebote schaffen», sagt Lichtenberg und findet es schade, dass oft Mädchen aus dem Rennen genommen werden, wenn sie nach zwei Runden abgehängt sind. Dies sei eine geringe Wertschätzung ihrer Leistungen. «Frauenradsport ist unter-repräsentiert. Dabei ist Frauenradsport geil und die Frauenrennen im Profibereich sind oft besser als die der Männer. Diesen Spirit müssen wir rüberbringen», so Lichtenberg.
Holger Buch aus Niedersachsen fordert gleiches Preisgeld für die Frauen. Noch immer wären sie da benachteiligt, weil Veranstalter zu wenig Prämien ausloben. «Es gibt Rahmenbedingungen, aber jedem Veranstalter steht es frei, höhere Preisgelder zu zahlen», sagte BDR-Sportdirektor Patrick Moster dazu. Allerdings war die Mehrheit der Meinung, dass es den Mädchen und jungen Frauen primär nicht ums Preisgeld oder ähnliches geht. Das Problem sei, dass Einsteigerinnen, die eine mehrstündige Autofahrt zum Rennen in Kauf nehmen, erleben müssen, dass sie nach 20 Kilometern aus dem Rennen genommen werden. Hier müsse gewährleistet sein, dass sie die Rennen zu Ende fahren können. Es gab auch Anregungen, ein BDR-nahes U23-Team, ähnlich wie das rad-net ROSE Team bei den Männern, zu gründen.
Ines Rosse, BDR-Beauftragte für den Mädchen-Radsport, plädierte für eine Entwicklung der «kleinen Schritte». «Wir können nicht die Welt einreißen», meinte sie. Aber mit dem ersten Radsportforum zum Thema Frauenradsport hat man den Weg bereitet, die Situation des Frauenradsports in Deutschland zu verbessern.