La Pierre-Saint-Martin (dpa) - Im Imperium herrscht große Aufregung. Das Team Sky hat sogar schon seine Anwälte eingeschaltet. Die Leistungsdaten von Tour-Favorit Christopher Froome - eine Art Heiligtum unter den Topfahrern - sollen von Computer-Hackern ausspioniert worden sein.
Und das ausgerechnet bei der britischen Übermannschaft, die mit vielen Millionen Pfund bei der 102. Tour de France für einen neuen Gigantismus steht.
Was ist passiert? In den sozialen Netzwerken sind Leistungsparameter aufgetaucht, die das Team streng unter Verschluss hält. Unter anderem ist ein Video von Froomes famosem Sieg 2013 auf dem Mont Ventoux zu sehen - unterlegt mit zahlreichen Leistungsdaten wie Herzrate, Trittfrequenz, Geschwindigkeit, und, und, und. «Vom ethischen oder moralischen Standpunkt her, sage ich: Wenn du jemanden des Dopings beschuldigst, dann betrüge nicht selbst», sagte Teamchef Dave Brailsford.
Nach zwei Toursiegen mit Bradley Wiggins (2012) und Froome (2013) weiß Brailsford, was in den nächsten Tagen passieren wird: «Es ist doch Teil des Spiels. Fährt Chris stark, kommen die Fragen nach Doping.» Der Verdacht fährt schließlich mit - bei jedem Toursieger. Statistisches Material veröffentlichen, um möglichen Anschuldigungen zuvorzukommen, will Sky aber nicht, weil «die Daten schnell falsch interpretiert werden», erklärt Brailsford. Sein Schützling Froome wird deutlicher: «Ich sehe, wie einige Clowns die Werte analysieren und sagen: 'Du hast über zehn Minuten diese Leistung erbracht. Du musst dopen.' Das hilft uns nicht weiter und es zeichnet ein falsches Bild», sagte der manchmal wie ein Roboter auf dem Rad wirkende Ausnahmefahrer.
Daten hin oder her - es ist auch die Außendarstellung der blau-schwarzen Equipe, die vielen Beobachtern suspekt ist. Mit einer eigenen kleinen Welt ist Sky bei der Tour angereist. Mit einer Flotte von 30 Fahrzeugen, darunter drei Motor-Homes und einem großen Pullman-Restaurant macht sich Sky täglich vor seinem Teamhotel breit. Dagegen wirkt das gläserne Kochstudio des deutschen Zweitligisten Bora-Argon geradezu niedlich.
Dabei war der Weltverband UCI vor der Tour schon tätig geworden und hatte es dem Sky-Team aus Gründen der Gleichberechtigung verboten, seine Fahrer in den Motor-Homes schlafen zu lassen. Richie Porte hatte dies beim Giro d'Italia praktiziert. Entsprechend verärgert waren die Reaktionen der Engländer. «Die Tour ist vielleicht der Wettbewerb mit den größten physischen Anstrengungen. Aber wir sollten einen gewissen Standard an Komfort schon haben. Ich habe das Gefühl, dass die UCI nach dem Kriterium entscheidet: Was Merckx nicht gemacht hat, ist auch nicht gut.»
Kleinere Teams wie FDJ begrüßen dagegen die Entscheidung. Es müsse ein Minimum an Fairness da sein, meint Teamchef Marc Madiot, dessen Mannschaft nicht einmal die Hälfte des auf 20 Millionen Euro geschätzten Etats der britischen Mannschaft zur Verfügung hat. Nun dürfen sich die Sky-Mitarbeiter - nicht die Profis - über erholsame Nächte in den Motor-Homes freuen. Dadurch werden weitere Zimmer für Froome und Co. frei, die nicht mehr zu zweit nächtigen müssen.
Das Misstrauen rund um Sky ist jedenfalls groß. Fotografen wurden bereits im Gebüsch ertappt- sie wollten Schnappschüsse machen, ob sich Froome auch an die Schlaf-Regeln hält. Szenen, die schon an die Zeiten von Lance Armstrong erinnerten, als Mülleimer nach Hinweisen auf Doping-Rückstände durchwühlt wurden.
Nicht wirklich glücklich sind auch die Hotelmanager über die Gäste von der Insel. Das kleine Imperium verstopft schließlich nicht nur die Parkplätze, sondern kostet auch Strom und Wasser.