Paris (dpa) - Auch als Sport-Pensionär ist Lance Armstrong eine Woche vor dem Start der Tour de France immer noch für Schlagzeilen gut. Ein neuer Streit um angebliche Doping-Praktiken des Texaners ist entbrannt.
«Unwahr, unbegründet und abgestanden», nannte der 34-jährige Armstrong die Vorwürfe, die die französische Zeitung «Le Monde» unter Berufung auf Aussagen des Ehepaares Andreu gegen den im Vorjahr zurückgetretenen Rekordsieger vorgebracht hatte.
Im «L'Équipe»-Magazin klagte dazu der dreifachen Toursiegers Greg LeMond am Sonntag seinen Landsmann und Nachfolger an, dem er mehrmals Doping unterstellte: «Armstrong bedrohte mich und meine Frau am Telefon.» Vor dem Hintergrund der aktuellen spanischen Doping-Affäre, die den Fortgang der kommenden Tour de France erheblich stören könnte, wetterte LeMond in der «L'Équipe»: «Das System ist korrumpiert und die UCI ist korrumpiert.»
Betsy Andreu, die Frau seines ehemaligen Team-Kollegen und Freundes Frankie Andreu, hatte unter Eid bezeugt, dass Armstrong im Rahmen seiner Krebsbehandlung am 28. Oktober 1996 gegenüber seinem Arzt Doping zugab. Der Profi hätte die Einnahme von «EPO, Wachstumshormonen, und Kortison» zugegeben. Der Mediziner Craig Nichols, der Armstrongs Chemotherapie in der Indiana University von Indianapolis gegen seinen Hodenkrebs leitete, widersprach dieser Darstellung allerdings.
«Armstrong hat nie zugegeben, leistungssteigernde Drogen zu sich genommen zu haben. Das hätte schriftlich registriert werden müssen und Einfluss auf seine Behandlung gehabt», tat Nichols in einer eidesstattlichen Erklärung kund. Bei dem zitierten Arzt-Gespräch seien laut Armstrong-Anwalt Tim Herman «zehn Personen im Raum gewesen, und Betsy Andreu war die einzige, die das angebliche Doping- Geständnis gehört haben will». LeMond hatte den Sachverhalt von Betsy Andreu 1999 geschildert bekommen: «Das hatte mich ein Jahr nach dem großen Doping-Skandal bei der Tour schockiert», sagte der Ex-Profi.
Die Zeugenaussagen erfolgten im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Armstrong und einer Versicherung um die Auszahlung von Siegprämien, die das Unternehmen wegen der Dopingverdächtigungen gegen den Profi aus Texas zurückhielt. Inzwischen hat ein Gericht nach dreiwöchiger Beratung dem siebenfachen Toursieger umgerechnet sechs Millionen Euro zugesprochen. Die Versicherung muss zahlen. «Es ist vorbei. Wir haben gewonnen, sie haben verloren. Ich bin ein weiteres Mal komplett bestätigt worden», meinte Armstrong. Auch LeMond wurde in dem Verfahren gehört.
Im Vorjahr hatte Armstrong gegen Vorwürfe aus dem Jahr 1999 zu kämpfen. Nach der Tour 2005 waren nachträglich vorgenommene Doping- Analysen veröffentlich worden, die Armstrong des EPO-Dopings bei seinem ersten Toursieg überführten. Eine vom Internationalen Radsport-Verband UCI eingesetzte Kommission war im Vormonat zu dem Ergebnis gekommen, dass sportrechtliche Grundregeln bei der Analyse verletzt worden waren und Armstrong deshalb freizusprechen sei.
Dagegen protestierte die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und nannte das Ergebnis der Kommission «einen Witz». Daraufhin forderte Armstrong das IOC auf, WADA-Chef Dick Pound zu entlassen. Das IOC will zwischen den zerstrittenen Parteien vermitteln.
Armstrong kündigte an, bei der am 1. Juli in Straßburg beginnenden Tour de France nach Frankreich zu reisen, um sein Team Discovery Channel mit zu betreuen. Der ehemalige Radprofi ist zu einem Drittel Anteilseigner der Mannschaft. Beim Discovery-Vorgänger fuhr Andreu mit Armstrong und war an dessen Toursiegen Nummer eins und zwei (1999 und 2000) beteiligt. Andreu arbeitet jetzt als TV-Kommentator und Sportdirektor des US-Profiteams Toyota United.