Washington (dpa) - Der deutsche Verbands-Präsident Rudolf Scharping sieht keine Gefahr, dass die Doping-Affäre Armstrong den eigenen Kompetenz-Bereich berühren könnte.
«Ich habe keinen Grund zu Spekulationen», sagte der ehemalige Verteidigungs-Minister vor dem Hintergrund, dass noch 40 positive Proben der Tour de France 1998 auf namentliche Zuordnung warten. Die Tour vor sieben Jahren, die durch den «Festina-Skandal» erschüttert worden war, hatte der inzwischen an einer Überdosis Kokain verstorbene Italiener Marco Pantani vor Jan Ullrich und Bobby Julich (USA) gewonnen.
Von 1999 seien in 80 nachuntersuchten Proben 12 positive Ergebnisse festgestellt worden, von 1998 wiesen 40 von 70 Analysen das Blutdoping-Mittel EPO auf, erklärte der Pariser Laborchef Jacques de Ceaurriz der «Süddeutschen Zeitung». «Das wird jetzt Sache der Juristen sein, ob die Namen bekannt werden. Hinter den Kulissen hat wahrscheinlich längst ein mächtiges Gerangel eingesetzt», vermutete Hans-Michael Holczer, der Manager des Teams Gerolsteiner.
Die Proben liegen inzwischen der Welt-Antidoping-Agentur (WADA) vor, sagte de Ceaurriz, der die Nachanalysen der eingefrorenen Urinproben aus den Jahren 1998 und 1999 im Auftrag der WADA vorgenommen hatte. Holczer gewann der Affäre einen positiven Aspekt ab: «Wir haben eine neue Dimension der Abschreckung erreicht. Aus Sicht eines Rennstall-Chefs, der jeden Tag auf Vertrauen angewiesen ist, ist das eher von Vorteil.»
Lance Armstrong hat die neuen Dopingvorwürfe erneut vehement zurückgewiesen. In einem Interview mit dem US-Senders CNN sagte Armstrong: «Ich habe noch nie gedopt. Die Anschuldigungen sind absurd. Ich schlafe gut und kann jeden Morgen in den Spiegel schauen». Der siebenfache Toursieger stellte den Test, mit dem in Urinproben Armstrongs von 1999 nach eigenen Angaben das Blutdopingmittel EPO nachgewiesen hat, in Frage. Er sei bis heute nicht zuverlässig. Zudem seien sämtliche Testrichtlinien in dem französischen Institut verletzt worden, niemand habe die Tests überwacht. Es gebe keine Kontrollproben. Unklar sei auch, ob die Urinproben fachgerecht aufbewahrt worden seien.
Unterstützung findet Armstrong durch den deutschen Experten Professor Dr. Fritz Sörgel. Nur wenn «das Pariser Labor im Jahr 1999 tatsächlich auch EPO-Proben selbst hergestellt und die Stabilität über Jahre zuverlässig überprüft hat», könnten solche Forschungsergebnisse überhaupt verwendet werden, sagte der Institutsleiter für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg. Dies bezweifele er. Bei derartigen Analysen seien «Lagerung und optimaler Transport von entscheidender Bedeutung». Dies müsse dokumentiert werden. Immerhin werde durch die nun bekannt gewordenen Ergebnisse «ein Lebenswerk in Frage gestellt».
«Kein Athlet kann in so ein Verfahren Vertrauen haben», sagte Armstrong in der Larry King-Talkshow. Während seiner Tourstarts sei er rund 100 Mal kontrolliert worden - immer mit negativem Ergebnis. «Unmittelbar vor der vergangenen Tour klopften Vertreter des französischen Gesundheits-Ministeriums an meine Zimmertür und ich musste zwei Urin- und Blutproben geben. Kein anderer Fahrer wurde an diesem Tag kontrolliert. Also kann ich es noch lauter sagen: Es ist eine Hexenjagd».
Armstrong verwies auf die abgekühlten Beziehungen zwischen den USA und Frankreich als möglichen Hintergrund für den Enthüllungsbericht der Zeitung «L'Equipe». Außerdem sei der französische Radsport noch nie so schwach gewesen wie heute. «Sie mögen keine Gewinner», sagte Armstrong, betonte aber, dass er viele Freunde in Frankreich habe. Klagen schloss Armstrong zwar nicht aus, unter anderem gegen die Zeitung, das Labor, den französischen Sportminister und die WADA.
«Das ist jedoch kostspielig und langwierig und es hält eine negative Geschichte lange am Leben», sagte der 33-jährige Armstrong, der seinen Fernseh-Auftritt in der für ihn heiklen Thematik cool und selbstsicher absolvierte. Wegen anderer Doping-Anschuldigungen ist Armstrong zur Zeit in acht Rechts-Streitigkeiten verwickelt.