Austin (dpa) - Lance Armstrong hat erstmals vor einer Anti-Doping-Kommission ausgepackt und könnte dem Radsport ein neues Beben bescheren.
In einer siebenstündigen Befragung durch das vom Radsport-Weltverband UCI ins Leben gerufene Gremium zur Doping-Aufarbeitung (CIRC) soll der lebenslang gesperrte Ex-Radstar nach Angaben seines Anwalts Elliot Peters umfangreich alle Fragen beantwortet haben. Damit könnte es nun insbesondere für die früheren UCI-Präsidenten Hein Verbruggen und Pat McQuaid unangenehm werden, wird ihnen doch vorgeworfen, die Dopingpraktiken des entthronten siebenmaligen Tour-Champions gedeckt zu haben.
Mit der Ruhe in Sachen Doping ist es bei der Tour de France jedenfalls pünktlich zur ersten Alpen-Etappe wieder vorbei - was im Fall Armstrong schon seit Jahren Tradition hat. Dabei hatte die Befragung bereits am 22. Mai dieses Jahres in einem Hotel in Washington stattgefunden, publik wurde sie erst jetzt. Und der Texaner habe sich in einem «sehr guten Meeting» kooperativ gezeigt. «Wenn es eine Liste mit Fragen gibt, die die Leute Lance zu seinen Aktivitäten im Radsport und alles andere stellen würden, diese Fragen wurden gestellt und beantwortet», sagte Peters der Nachrichtenagentur AP.
Es gebe kein Agreement, ergänzte Peters. Danach habe Armstrong auch nicht gefragt. Doch die Intention des früheren Tour-Patrons ist klar. Armstrong hofft auf eine Reduzierung seiner lebenslangen Sperre. Bereits im Frühjahr hatte ihm der jetzige UCI-Chef Brian Cookson diesbezüglich Hoffnungen gemacht, auch wenn dies die US-Anti-Doping-Agentur USADA beschließen müsste. «Wir glauben, dass die Strafe ungerechtfertigterweise sehr hart ist. Aber Lance hat nicht in dem Geist ausgesagt, vom Ärger eines anderen zu profitieren, sondern um die Wahrheit zu erzählen.»
Es könnte jedenfalls interessant werden. Bereits im November vergangenen Jahres hatte er sich in einem Schadenersatz-Verfahren vor Gericht weit über sein TV-Doping-Geständnis vom Januar 2013 hinaus geäußert. Dabei war es unter anderem um die Rolle seines früheren Mentors Johan Bruyneel und Dopingarzt Michele Ferrari gegangen. Beide sind inzwischen für zehn Jahre beziehungsweise lebenslang gesperrt. Verbruggen und McQuaid waren in diesem Fall noch nicht relevant, ganz im Gegensatz zur Befragung durch die UCI-Kommission.
Insbesondere die ominösen Geldspenden des früheren Tour-Dominators an die UCI in Höhe von insgesamt 125 000 Dollar aus den Jahren 2002 und 2005 könnten noch unangenehme Folgen für die frühere UCI-Spitze um Verbruggen und dessen im September durch Brian Cookson abgelösten Vorgänger McQuaid haben. Armstrongs Ex-Teamkollege Floyd Landis hatte einst behauptet, der Superstar habe durch ein «finanzielles Abkommen» mit Verbruggen einen positiven Epo-Test bei der Tour de Suisse verschwinden lassen. Auch ein zurückdatiertes Attest während Armstrongs erstem Tour-Sieg 1999, womit er einem Dopingvergehen entkam, wirft Fragen auf.
«Ich werde nicht lügen, um diese Kerle zu schützen. Ich hasse sie. Sie haben mich unter den Bus geworfen», hatte Armstrong bereits in einem Interview der «Daily Mail» angekündigt. Verbruggen und McQuaid hatten stets die Anschuldigungen zurückgewiesen.
Konkrete Ergebnisse der UCI-Kommission dürften aber noch auf sich warten lassen. Bis zum Ende des Jahres will das dreiköpfige Gremium, bestehend aus dem früheren Staatsanwalt Dick Marty, dem deutschen Dopingexperten Ulrich Haas und dem ehemaliger Militäroffizier Peter Nicholson, die Doping-Vergangenheit im Radsport aufarbeiten. Jeder der Beteiligten wurde zur Zusammenarbeit eingeladen. Dabei wurde die Kommission mit weitreichenden Kompetenzen bis hin zur Sanktionsgewalt ausgestattet.