Blois (dpa) - Lance Armstrong trägt wieder sein Lieblings-Trikot. Der sechsfache Rekordsieger setzte sich nach dem Mannschafts-Zeitfahren über 67,5 Kilometer von Tours nach Blois an die Spitze der Gesamtwertung der 92. Tour de France.
Er profitierte dabei allerdings von einem Sturz des bisherigen Spitzenreiters David Zabriskie (USA) kurz vor dem Ziel. Armstrongs Team Discovery Channel fuhr wie in den vergangenen beiden Jahren die Bestzeit (1:10:39 Stunden), konnte aber nicht wie erwartet glänzen.
Dennoch war der Texaner hoch zufrieden: «Was für ein irrsinniges Team ich habe», sagte er nach dem mit einem Stundenmittel von 57,32 Kilometer schnellsten Team-Zeitfahren der Tour-Geschichte. «Wir starten immer ein bisschen langsam. Unser Endspurt war phänomenal», sagte Armstrongs Team-Chef Johan Bruyneel, dem der verletzte Zeitfahr-Olympiasieger von Sydney, Wjatscheslaw Jekimow, fehlte.
Ullrichs T-Mobile-Team konnte die Niederlage in Grenzen halten. Es kam nach großem Kampf auf Rang drei und verlor nur 35 Sekunden auf die scheinbar übermächtige Formation des sechsfachen Rekordsiegers, der den kollektiven Kampf gegen die Uhr auch 2003 und 2004 gewonnen hatte. Ullrich und Alexander Winokurow bekamen laut Reglement aber nur 30 Sekunden angeschrieben. Im Vorjahr hatte T-Mobile auf das Armstrong-Team real noch 1:16 Minuten verloren und als viertplatzierte Mannschaft 40 Sekunden bekommen.
Die größten Pechvögel kamen aus Bjarne Riis' CSC-Team, das ohne den Zwischenfall zwei Kilometer vor dem Ziel gewonnen hätte. So fehlten zwei Sekunden. Zabriskie stürzte an viertletzter Position und sein Team fuhr ungebremst weiter, um ihren Kandidaten für das Gesamtklassement, Ivan Basso (Italien), zu schützen. Armstrong schien nicht seinen besten Tag erwischt zu haben und litt auf dem anspruchsvollen Kurs an Loire-Schlössern vorbei sichtlich. Winokurow ist im Gesamtklassement mit 1:21 Minuten Abstand zu Armstrong als Siebter der erste Verfolger mit Sieg-Ambitionen. Ullrich liegt auf Rang 14 1:36 hinter dem Titelverteidiger, bester Deutscher ist Jens Voigt als Dritter (+ 1:04). «Wir sind geknickt, weil es so dumm war, wie wir verloren haben», sagte der Berliner aus dem CSC-Team.
«Wir haben alles gegeben. Jeder ist sehr gleichmäßig gefahren, und ich glaube, wir haben eine gute Leistung gebracht. Die Kritik aus der Heimat erreicht mich hier nicht. Die Fans stehen weiter hinter mir - das weiß ich», sagte Ullrich nach der schweißtreibenden Stunde Schwerstarbeit. Das Team Gerolsteiner schaffte bei seiner dritten Tour-Teilnahme die erste Platzierung unter den ersten Zehn und fuhr in 1:12:44 Stunden auf Rang acht.
Am Morgen vor dem Start hatte das Ullrich-Team noch auf dem später von zehntausenden von begeisterten Fans gesäumten Parcours trainiert. Drei Tage vor dem Deutschland-Abstecher hatte Ullrich in Zeitungs-Interviews mit dem Tenor «Ich glaube noch fest an meinen Toursieg, kämpfe weiter und attackiere Armstrong bei jeder Gelegenheit» Optimismus verbreitet. T-Mobile war als 17. von 21 Teams gestartet. Das Privileg des letzten Starters hatte CSC vor Discovery Channel. Maßgeblich dafür war das Ergebnis der ersten Etappe.
Bei der ersten Zwischenzeit nach 25 Kilometer lagen T-Mobile und Discovery Channel gleichauf. Nach 48 Kilometer musste Tobias Steinhauser aus Scheidegg als erster vom T-Mobile-Team abreißen lassen. Er konnte der rasenden Fahrt nicht mehr folgen. Aber Ullrich und seine Mannschaft stemmten sich gegen die Armstrong-Equipe. Nach 45,8 Kilometern hatten die Amerikaner eine magere Sekunde Vorsprung auf die Bonner herausgefahren. Im Schlussspurt wurde der Abstand dann noch etwas größer. Trotzdem kann Ullrich mit der Leistung sehr zufrieden sein. Sie dürfte ihm drei Tage vor dem Heimspiel in Karlsruhe und Pforzheim Mut machen.