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Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc (M) schüttelt Lance Armstrong (r) die Hand.
25.08.2005 20:08
Armstrong geht in Offensive: Vorwürfe «absurd»

Berlin/Hamburg/Washington (dpa) - Der in eine weit reichende Doping-Affäre verwickelte Radprofi Lance Armstrong geht zum Gegenangriff über und reagiert offensiv auf die neuerlichen Anschuldigungen.

Der siebenmalige Tour-de-France-Sieger bezeichnete die Vorwürfe von Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc in einer Telefon-Pressekonferenz mit ausgewählten Journalisten aus einem Hotelzimmer in Washington als «absurd». Der Franzose hatte dem erfolgreichsten Radprofi der Gegenwart nach Bekanntwerden der positiven Urinprobe aus dem Jahr 1999 vorgeworfen, die Sportwelt betrogen und zum Narren gehalten zu haben.

«Es gibt nicht nur eine B-Probe. Es gibt sieben A- und B- Proben, die alle negativ sind. Alle Proben, die ich während meiner Tour-Jahre abgegeben habe, enthielten definitiv kein EPO», sagte Armstrong, der als nächstes in der Sendung des Talkmasters Larry King Stellung beziehen will. «Ich habe mindestens ein halbe Stunde mit Leblanc telefoniert. Dabei hat er nicht einen einzigen Vorwurf geäußert, mit dem ihn die 'L'Équipe' zitiert hat», meinte er weiter. Der «L'Equipe» warf er vor, die Veröffentlichungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lanciert zu haben: «Das verkauft sich sehr gut». Vorher war die Ehrung des Texaners für seine sieben Toursiege bei seinem Sponsor Discovery Channel in Silver Springs zu einer Solidaritäts-Kundgebung geworden.

Der 33-jährige Texaner schloss rechtliche Schritte gegen die Urheber der Doping-Nachricht nicht aus. «Man müsste sich erst einmal überlegen, gegen wen man in diesem Fall aktiv werden sollte. Wenn man einen Prozess anstrebt, muss man der Sache wirklich auf den Grund gehen. Das kostet eineinhalb Millionen Dollar und zwei Jahre meines Lebens. Mit meinem Geld und meiner Zeit kann ich besseres anfangen.» Wegen unterschiedlicher Doping-Vorwürfe führte Armstrong bisher verschiedene Prozesse, unter anderem gegen seine ehemalige Betreuerin Emma O'Reilly, seinen Ex-Assistenten Mike Anderson und die Autoren und den Verlag des Enthüllungs-Buches «L.A. Confidential».

In die durch die «L'Équipe»-Veröffentlichung der Testergebnisse aus dem Anti-Doping-Labor in Chatenay-Malabry hervorgerufene Affäre könnten auch noch andere Tourstarter verwickelt sein. Laut Jacques de Ceaurriz, dem Leiter des Labors, war das Ausmaß des Betruges bei der Skandal-Tour des Jahres 1998 sogar noch größer. «Von 1999 haben wir etwa 80 Proben untersucht, davon waren zwölf positiv. Von 1998 wurden rund 70 untersucht, und davon waren 40 positiv», sagte der Mediziner der «Süddeutschen Zeitung».

De Ceaurriz hatte in Zusammenarbeit mit der Welt-Antidoping-Agentur (WADA) in einem neuen Epo-Erkennungsverfahren die 150 Proben der Frankreich-Rundfahrten analysiert. Sechs positive Proben aus dem Jahr seines ersten Toursieges 1999 wurden laut «L'Equipe» Armstrong zugeordnet. Von den meisten Urinproben sei noch eine genügend große Menge vorhanden, um DNA-Tests vorzunehmen und nötigenfalls in einem Gerichtsverfahren zu beweisen, von welchem Fahrer welche Proben stammen, sagte de Ceaurriz.

Der französische Sportminister Jean-Francois Lamour bekräftigte die Ansicht vieler Experten, dass eine Bestrafung Armstrongs oder Sanktionen gegen ihn unmöglich erscheinen, weil die Gegenkontrolle durch eine zweite Probe nicht stattfinden kann. «Ich habe die in 'L'Équipe' abgedruckten Laborprotokolle nicht im Original gesehen. Aber, wenn es stimmt, was in der Zeitung steht, ist das ein schwerer Schlag gegen den Radsport», sagte Lamour. Bundesinnenminister Otto Schily sprach sich im Anti-Doping-Kampf für schärfere Kontrollen aus.

Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), sagte der «Bild»-Zeitung: «Wenn das stimmt, ist Jan Ullrich für mich der moralische Sieger der Tour de France.» Der frühere Verteidigungsminister sieht es als zulässig an, Urinproben erst Jahre später mit neuen Methoden noch einmal zu testen. «Niemand darf sich hinter der Wand noch nicht entdeckter Nachweisverfahren verstecken können.»

Armstrong selbst sieht sich wegen der fehlenden Möglichkeit einer Gegenprobe schutzlos an den Pranger gestellt. «Allein aus moralischen Gesichtspunkten: Wie kann man einen Mann derart öffentlich verfolgen, wenn dieser nicht einmal die Möglichkeit hat, sich zu verteidigen?» Dabei bezichtigte er das Labor Chatenay-Malabry der doppelten Verletzung des Codes der WADA. Im Falle nur noch einer verbleibenden Urinprobe müsse diese anonym bleiben und dürfe selbst zu Forschungszwecken nur mit Einverständnis des Athleten geöffnet werden.

Die Vereinigung der Profiradsportler, CPA, mahnt in diesem Kontext die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht an. CPA- Sprecherin Arlette Dumas forderte den Weltverband UCI auf, den Standard in Zukunft sicherzustellen. Die CPA unterstütze ohne Wenn und Aber den Kampf gegen Doping, könne aber den Bruch der Anonymität der untersuchten Proben von 1999 im Fall Armstrong nicht hinnehmen. Die französische Sporttageszeitung «L'Équipe» hatte die Ergebnisse des Pariser Doping-Labors Chantenay-Malabry dem siebenfachen Toursieger zugeordnet.


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