Augusta (dpa) - Radprofi Lance Armstrong wird seine unglaubliche Karriere nach der kommenden Tour de France (2. Juli bis 24. Juli) beenden. Das erklärte der sechsfache Toursieger auf einer Pressekonferenz in Augusta im US-Bundesstaat Georgia.
Er trug ein blaues T-Shirt und blickte aus traurigen Augen auf rund 500 Journalisten, die aus aller Welt ins Golf-Mekka Augusta gekommen waren. «Am 24. Juli nach der letzten Etappe der Tour de France ist Schluss - auch wenn ich verliere. Die Zeit zum Abschied ist gekommen», sagte der 33-jährige Amerikaner, der im Vorjahr mit seinem sechsten Tour-Sieg in Serie einen Jahrhundert-Rekord aufgestellt hatte.
1999 hatte der Weltmeister von 1993 seinen atemberaubenden Siegeszug als geheilter Krebs-Patient begonnen. Nach den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona war der Texaner Profi geworden und wurde in seinem ersten Rennen Vorletzter. Das war ihm eine Lehre. «Wenn ich Lance noch ein Mal schlagen will, muss ich mich ranhalten», war Jan Ullrichs erste Reaktion auf die nicht unerwartete Kunde der Pressekonferenz aus Georgia, die der US-Privatsender ONL live übertrug. Der Rücktritt war sogar CNN eine Erwähnung wert.
«Mein Entschluss steht zu 100 Prozent fest», sagte Armstrong, der im Sommer in Frankreich zum siebten Mal zuschlagen will und dabei Ullrich wieder als Hauptkonkurrenten ausmachte. «Er macht zur Zeit einen besseren Eindruck als sonst zu dieser Jahreszeit. Es wird ein harter Kampf, zumal auch ein paar andere Jungs lauern», sagte Armstrong, der aus seinen Ambitionen bei der Frankreich-Rundfahrt kein Hehl machte: «Ich komme zur Tour, um sie noch ein Mal zu gewinnen.» Seine Abschiedsrede dauerte vier Minuten.
Der ewige Herausforderer Ullrich, der Armstrong in Paris vier Mal unterlag, saß in seinem Haus in Scherzingen/Schweiz zusammen mit seinem Betreuer Rudy Pevenage. «Ich bin ein bisschen überrascht, dass er nun wirklich aufhört», sagte der Belgier, der sich von der seit 14 Tagen angekündigten Pressekonferenz in Augusta auch ein anderes Ergebnis hätte vorstellen können: «Wir dachten, er gibt seine Giro-Teilnahme oder die Heirat mit seiner Freundin Sheryl Crow bekannt oder kündigt an, Gouverneur von Texas werden zu wollen.»
Vom angekündigten Karriere-Ende des nicht unumstrittenen Jahrhundert-Sportlers erhofft sich Pevenage nun auch einen Motivations-Schub für Ullrich. «Das könnte ihm noch ein Mal einen Kick geben, denn er weiß, er hat nur noch eine Chance, ihn endlich zu bezwingen», sagte Pevenage, der in den vergangenen zwei Wochen Zeuge eines viel versprechenende Saisoneinstiegs seines Schützlings bei der Sarthe- und Aragon-Rundfahrt wurde. Das Duell endete bisher immer wie die Geschichte zwischen Hase und Igel: 2000, 2001 und 2003 war Ullrich Tour-Zweiter, im Vorjahr Vierter.
Armstrong wurde in der Vergangenheit nicht nur auf der Straße verfolgt. Immer wieder wurde der Seriensieger mit Doping in Verbindung gebracht, wohl auch deshalb, weil sein sagenhafter sportlicher Werdegang so schwer erklärbar ist. Im Vorjahr unterstellte man ihm in einem Buch («L.A. Confidential») Doping, zuletzt erklärte ein Ex-Betreuer, in Armstrongs Haus ein verbotenes Präparat gefunden zu haben. Vor vier Jahren musste Armstrong, der 1996 an Hodenkrebs erkrankte und knapp drei Jahre später geheilt seine erste Tour gewann, zugeben, mit Michele Ferrari zusammengearbeitet zu haben. Der umstrittene italienische Mediziner ist inzwischen in einem Doping-Prozess verurteilt worden.
Armstrong, der alle Doping-Anschuldigungen mit juristischen Gegenattacken konterte, startet zur Georgia-Tour, die er im Vorjahr gewann. Im Mai oder Juni kommt er zur weiteren Tour-Vorbereitung wieder nach Europa. Armstrong hatte zum Ende der vergangenen Saison einen Zwei-Jahres-Vertrag bei seinem neuen Team-Sponsor Discovery Channel unterschrieben, in dem er sich noch zu einem Tourstart verpflichtete.
Nach seiner letzten Pedalumdrehung will sich Armstrong, der sich von seiner Frau trennte und inzwischen mit der Rocksängerin Sheryl Crow zusammenlebt, mehr um seine Zwillings-Töchter und seinen Sohn Luke kümmern. «Ich will die Tour ungeschlagen verlassen - hoffentlich verpasse ich den richtigen Zeitpunkt nicht», hatte der als Perfektionist bekannte Armstrong im vergangenen Jahr nach seinem sechsten Erfolg erklärt.