Berlin (dpa) - Geständnis alter Vergehen plus Reue-Bekenntnis sichert Arbeitsplätze: Diese Gleichung geht im Profi-Radsport trotz der jüngsten Doping-Beichten noch auf.
Der ohnehin schon spindeldürre Rolf Aldag hat vor lauter Kummer weitere vier Kilo abgenommen, sitzt aber trotzdem beruflich weiter fest im Sattel. Eingestandene Doping-Praxis über Jahre hindert den 37-Jährigen nicht, dem seit August 2006 im Anti-Doping-Kampf besonders aktiven T-Mobile-Team weiter als Sportdirektor vorzustehen. Es gibt nicht wenige Stimmen, die der Glaubwürdigkeit zu Liebe auch im Fall Christian Henn und erst Recht in Sachen Bjarne Riis andere Entscheidungen favorisiert hätten. Doch sogar Aldags oberster Telekom-Boss René Obermann stellte sich demonstrativ hinter seinen geläuterten Ex-Profi und sieht in ihm als «reuigen Sünder den effizientesten Kontrolleur».
Dieselbe für sie erfreuliche Solidarität erlebten die geständigen Ex-Profis Christian Henn, weiter Sportchef bei Gerolsteiner, und Erik Zabel, der als bisher einziger Aktiver Doping zugab. Toursieger Bjarne Riis («Doping war Alltag») steht als Mitbesitzer und Manager weiter von eigenen Gnaden in der ersten Reihe der Verantwortung beim dänischen CSC-Team, das wie T-Mobile nach außen mit klarem Anti-Doping-Programm den neuen Kurs bestimmt. «Bjarne ist sein eigener Chef. Er kann sich schlecht selbst entlassen», sagte Aldag, der sich durchaus bewusst ist, irgendwie zwischen den Stühlen zu sitzen.
«Jeder muss für sich entscheiden, ob er weitermachen kann. Ich habe meinem Arbeitgeber den Rücktritt angeboten und lasse mich an meiner aktuellen Arbeit messen, die jeden Tag zu hinterfragen ist. Der Sponsor und Team-Manager Bob Stapleton haben entschieden, dass sie mir vertrauen. Hans Holczer von Gerolsteiner hat das für Christian Henn auch so entschieden», sagte Aldag, der Verständnis aufbringt für die Position, dass der durch die Geständnisse entstandene Vertrauensverlust zu schwer wiegen könnte. Zumindest Riis riskiert mit seinem Festhalten an seinem Posten eine Ausladung für die kommende Tour de France.
Aldag, Henn und Riis seien in ihren Positionen nach Meinung des DOSB-Präsidenten Thomas Bach und der früheren deutschen Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk nicht mehr vermittelbar. Der selben Meinung ist der Niederländer Gerry van Gerwen, der als Manager des deutsch-italienischen Milram-Teams mit darüber entschied, dass Zabel vorerst weiter in die Pedale treten darf. Van Gerwens Team-Direktor Gianluigi Stanga hatte bei der Team-Präsentation im Januar in Bremen eine gewisse Weltfremdheit offenbart. Doping? War da was? Die einzige Berührung mit Doping in 25 Arbeitsjahren ist laut Stanga banal gewesen: Das Koffein-Doping des Doppel-Weltmeisters Gianni Bugno.
Aldag steht mit beiden Beinen mehr in der Gegenwart und dem Vorschlag positiv gegenüber, die Reue auch in klingender Münze zu belegen: «Einfach irgendwohin Geld überweisen - das geht nicht. Es darf nicht nach Freikaufen aussehen. Ich bin für Vorschläge dankbar.» Ähnlich sieht es die lokale Konkurrenz von Gerolsteiner, die an Henn weiter festhält, die dem Rücktritt des ebenfalls geständigen Udo Bölts als Teilzeit-Teamchef allerdings zustimmte. «Bei uns gibt es auch solche Überlegungen, die Christian angestoßen hat», sagte Teamsprecher Jörg Grünefeld für seinen mit einer schweren Gastritis im Bett liegenden Manager Holczer. Henn hätte sich in der «Gegenwart und in der jüngsten Vergangenheit als Teamchef tadellos» verhalten. «Das ist für uns wichtiger, als was vor 12 Jahren passierte», sagte Grünefeld.
Der nicht geständige Ansbacher Radprofi Jörg Jaksche steht bei seinem Team Tinkoff trotz interner Suspendierung auf Abruf bereit. «Wenn Renn-Veranstalter gegen seinen Start keinen Einspruch einlegen, kann er fahren. Für ProTour-Rennen bleibt er suspendiert, bis seine Verwicklungen im Doping-Fall Fuentes restlos geklärt ist», sagte Team-Besitzer und Brauerei-Multi Oleg Tinkoff.