Wollongong (dpa) - Die größten Rivalen im Kampf um die WM-Krone hat Remco Evenepoel schon auf dem Zettel. «Die Vögel», scherzte der belgische Jungstar.
Evenepoel hat bei der Straßenrad-WM in Wollongong bereits unliebsame Bekanntschaft mit den «Angry Birds» gemacht. Schließlich sind die Magpies (Elstern) für ihre Attacken auf Radfahrer und Fußgänger zur Paarungszeit im australischen Frühling berüchtigt.
Am Sonntag im superschweren Straßenrennen über 266,9 Kilometer warten aber dann doch noch andere Kaliber. Wie etwa Tadej Pogacar. Und so könnte es zum ersten großen Duell der beiden Wunderkinder des Radsports kommen. Hier der 22-jährige Evenepoel, der mit dem Gewinn der Vuelta gerade seine erste Grand Tour gewonnen hat und in seiner belgischen Heimat als das größte Versprechen seit dem legendären Eddy Merckx gilt. Dort Pogacar, gerade 24 Jahre alt geworden und bereits mit zwei Tour-de-France-Siegen und einem zweiten Platz in diesem Sommer dekoriert.
Nicht wenige Experten glauben, dass dieses Duell das nächste Jahrzehnt im Radsport prägen wird. Dass es nicht schon früher zum großen Kräftemessen gekommen ist, lag an Evenepoels verhängnisvollem Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt im August 2020. Er stürzte über eine Brückenmauer und erlitt einen Beckenbruch sowie eine Lungenquetschung. Erst neun Monate später kehrte er auf die Rennstrecke zurück.
Längst ist Evenepoel wieder zu alter Form zurückgekehrt. 14 Siege hat er in 2022 schon eingefahren. Da trifft es sich gut, dass Pogacar die Saison nach seinem etwas ernüchternden zweiten Platz bei der Tour hinter dem Dänen Jonas Vingegaard noch nicht abgehakt hat. «Wir alle denken an die Goldmedaille. Ich habe die Chance, die WM zu gewinnen. Es ist ein besonderer Wettbewerb», sagte der Slowene, der jüngst den Grand Prix in Montreal gewann.
Dass zwei derartige Jahrhunderttalente fast zeitgleich die Radsport-Bühne betreten haben, ist ungewöhnlich. Schon im Nachwuchsalter sorgten die beiden für verblüffende Leistungen. Dabei war bei Evenepoel eigentlich eine Profikarriere im Fußball vorgezeichnet. Als belgischer Junioren-Nationalspieler kickte er für den Rekordmeister RSC Anderlecht.
Aber schon zu dieser Zeit wurde deutlich, dass der damals 16-Jährige ein Multitalent ist. Einen Tag nach einem Fußballspiel ging Evenepoel beim Brüsseler Halbmarathon 2016 an den Start und belegte in schier unglaublichen 1:16:15 Stunden mal eben den 13. Platz.
Der Junge aus Schepdaal verlor aber wenig später die Lust auf den Fußball und kletterte auf das Rennrad. Nur zwei Jahre später war Evenepoel, dessen Vater Patrick auch für einige Jahre Radprofi war, schon Doppel-Weltmeister bei den Junioren.
Bei Pogacar drehte sich indes schon immer alles um den Radsport. Bereits mit neun Jahren fuhr er auf einem viel zu großen Rennrad sein erstes Rennen und ließ die älteren Jahrgänge hinter sich. Mit 20 gewann er drei Vuelta-Etappen, was in diesem Alter noch keinem anderen gelang. Mit 21 Jahren und 365 Tagen wurde er zweitjüngster Sieger der Tour-Geschichte.
«In meinen Augen ist er der beste Fahrer der Welt», sagte Evenepoel jüngst über seinen Rivalen, der genauso wie der Belgier auch ein Faible für die schweren Eintagesrennen hat. Dass beide bereits in jungen Jahren den schweren Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich gewannen, ist da sicher kein Zufall. Der Kampf um das Regenbogentrikot ist eröffnet.