Ötztal (dpa) - Eigentlich wäre Emanuel Buchmann gerade in der heißen Vorbereitungsphase auf die Tour de France. Da das Rennen aber wegen der Coronavirus-Pandemie auf Ende August verschoben wurde, absolviert der Vorjahresvierte neue Herausforderungen.
Am Freitag will er 8848 Höhenmeter - so hoch wie der Mount Everest - mit dem Rad zurücklegen und dabei Spenden für einen guten Zweck einsammeln. Im Hinterkopf hat er aber die Frankreich-Rundfahrt, da will Buchmann auf das Podium. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der Radprofi über sein ungewöhnliches Projekt, die Tour de France und ausgebliebene Dopingkontrollen.
Wie wird die sogenannte Everest Challenge ablaufen?
Emanuel Buchmann: Ich werde die Challenge im Ötztal am Haiminger Berg absolvieren. Das ist ein Berg von zehn Kilometern Länge mit 1050 Höhenmetern. Den werde ich alleine hoch- und runterfahren, bis die 8848 Höhenmeter erreicht sind. Ich müsste so neun Stunden unterwegs sein. Online gibt es parallel eine Spendenplattform. Da sieht man, wie viel gespendet wurde.
Haben Sie im Training oder Rennen schon einmal derart viele Höhenmeter geschafft?
Buchmann: Überhaupt nicht. Das meiste, das ich im Training gefahren bin, waren 5500 Höhenmetern. Das ist jetzt eine ganz andere Nummer. Aber normalerweise fährt man auch nicht einen Berg rauf und runter. Im Rennen haben die richtig schweren Tour-Etappen etwa 4500 bis 5000 Höhenmeter.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Buchmann: Der Trainingsalltag ist gerade ein wenig eintönig ohne Rennen. Da habe ich mir mal überlegt, etwas Verrücktes zu machen oder eine Herausforderung einzubauen.
Ihr Trainer Dan Lorang betreut auch Ironman-Champion Jan Frodeno. Haben Sie sich von Frodeno inspirieren lassen, der eine Spendenaktion bei einem Heim-Triathlon gestartet hat?
Buchmann: Mein Trainer ist auf die Idee gekommen, dass man es mit einem guten Zweck verbinden könnte. Bei Frodeno hat es sehr gut geklappt, er hat richtig viel Geld eingesammelt. Ich hoffe, dass bei mir auch etwas zusammenkommen wird. Das Ziel sind 88.000 Euro, also für jeden Höhenmeter zehn Euro. Wenn es nicht klappt, werde ich trotzdem die Höhenmeter fahren.
Wie gut sind Sie mit den Corona-Beschränkungen zurechtgekommen?
Buchmann: Eigentlich ganz gut. In Österreich durfte man noch alleine auf der Straße Radfahren. Ich konnte das Training ganz normal durchziehen. Inzwischen ist es auch wieder in Gruppen erlaubt.
Wie schwer war es, sich zu motivieren?
Buchmann: Wenn kein konkretes Ziel mehr da oder ziemlich weit weg ist, ist es mental nicht sehr einfach. Aber das habe ich ganz gut gemeistert. Der Radsport macht mir Spaß und das Training auch. Das macht die ganze Sache leichter. Ich habe nicht zu weit in die Ferne geschaut, sondern nur von Einheit zu Einheit. Und jetzt ist wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Wie realistisch ist es, dass Ende August der große Tour-Tross durch Frankreich zieht?
Buchmann: Wie es aussieht, sehr realistisch. Es wird alles gelockert. Die Fußball-Bundesliga spielt auch wieder. Bis Ende August sind es noch drei Monate. Ich bin sehr optimistisch, dass die Tour stattfindet.
Finden Sie es richtig, dass der Fußball eine Sonderrolle einnimmt?
Buchmann: Man muss zugeben, dass ein Fußballspiel einfacher abzusperren ist als ein Radrennen. Die spielen im Stadion, es sind 22 Spieler. Es ist nicht vergleichbar mit 200 Leuten, die quer durch das Land Radrennen fahren. Ich finde es eher gut, dass im Fußball wieder gespielt wird. In irgendeiner Sportart muss man ja mit dem Spielbetrieb wieder anfangen und den ersten Schritt machen. Dem Fußball geht es extrem gut im Vergleich zum Radsport, er hat einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft.
Könnten Sie sich auch mit einer Geister-Tour anfreunden?
Buchmann: Es wäre nicht schön und ein ganz anderes Feeling als die letzten Jahre. Aber für ein Jahr könnten wir das schon machen. Wir fahren auch viele Radrennen, wo nicht so viele Zuschauer sind. Bei der UAE Tour in Abu Dhabi sind auch kaum Zuschauer am Straßenrand. Es ist also nichts Neues für uns.
Letztes Jahr waren Sie Vierter bei der Tour de France. Ist eine Steigerung drin?
Buchmann: Da ist noch was möglich. Ziel ist es, sich zu verbessern. Das wäre ein Platz auf dem Podium, aber dafür muss alles passen. Da muss man die drei Wochen gut durchkommen, ohne Verletzung und Sturz. Es passiert schnell, dass man durch eine dumme Aktion Zeit verliert.
Bleibt der Tour-Sieg ein Traum oder ist es ein realistisches Ziel?
Buchmann: Wenn das Podium das Ziel ist, dann ist der Sieg auch nicht mehr weit weg. Es ist nicht so, dass es mein einziges Ziel ist, die Tour zu gewinnen. Vom Podium bis zum Sieg ist es nicht weit, letztes Jahr hat beim vierten Platz auch nicht so viel gefehlt.
Bei einigen Teams mussten die Fahrer wegen der Corona-Pandemie Gehaltseinbußen hinnehmen. Wie war es bei Ihnen?
Buchmann: Bei uns war das zum Glück kein Thema. Die Hauptsponsoren Bora und hansgrohe haben sich deutlich zum Team ausgesprochen. Wir kriegen nach wie vor das volle Gehalt. Da sind wir sehr glücklich, dass die Sponsoren uns so unterstützen.
Kommen auf den Sponsoren-abhängigen Radsport schwere Zeiten zu?
Buchmann: Es ist eine schwere Zeit. Es hängt natürlich auch davon ab, was für ein Geschäftsmodell die Hauptsponsoren haben und wie schwer sie getroffen sind. Ausschließen kann man nicht, dass Teams schließen müssen. Es geht auch darum, wie sich die Lage weiterentwickelt. Wenn es jetzt bergauf geht, sieht es für den Radsport auch besser aus. Kommt aber eine zweite Welle und noch einmal ein Lockdown, wird es für alle schwer.
Gab es bei Ihnen in den letzten Monaten Dopingkontrollen?
Buchmann: Ich hatte meinen letzten Test Mitte März kurz vor dem Lockdown. Seitdem hatte ich keine Dopingkontrolle mehr. Ich glaube, die NADA führt nun wieder Kontrollen durch.
Befürchten Sie angesichts der fehlenden Kontrollen unliebsame Überraschungen beim Neustart?
Buchmann: Nicht wirklich. Es hätten ja noch Kontrollen stattfinden können. Ich gehe davon aus, dass das System normal wieder anläuft und alle Sportler regelmäßig getestet werden. Ich weiß auch nicht, ob es Sinn gemacht hätte, Ende April für die Tour zu dopen.
ZUR PERSON: Emanuel Buchmann (27) ist Radprofi beim Team Bora-hansgrohe. 2019 beendete der gebürtige Ravensburger die Tour de France auf dem vierten Platz und sorgte damit für die beste deutsche Platzierung seit 2006. Dazu hatte Buchmann 2015 die deutsche Straßenradmeisterschaft gewonnen.
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