Plateau de Beille (dpa) - Jens Voigt blutend, Tony Martin tief geknickt, Alberto Contador harmlos, Frank Schleck ernüchtert: Am schwersten Tour-Tag in den Pyrenäen hatte nur Thomas Voeckler etwas zu lachen.
Der französische Radprofi wuchs auf der 14. Etappe der Tour de France abermals über sich hinaus und verteidigte sein Gelbes Trikot vor den sich weitgehend neutralisierenden Top-Favoriten. Beim Tagessieg des Belgiers Jelle Vanendert machte nur Andy Schleck als Dritter hinter Samuel Sanchez zwei Sekunden gut. Der dreimalige Rundfahrtsieger Alberto Contador blieb erneut harmlos.
«Es war ein guter Tag heute. Auch die Sekunden im Sprint zählen», sagte der 2010 Contador um 39 Sekunden unterlegene Andy Schleck im Ziel auf der 1780 Meter hoch gelegenen Skistation Plateau de Beille. «Ich glaube, Contador wartet sicher auf die Alpen», meinte der Luxemburger, der im Vergleich zu Cadel Evans und dem Madrilenen der mit Abstand schlechtere Zeitfahrer ist. Evans war zufrieden: «Ich habe meine größten Konkurrenten wieder in Schach gehalten.»
Im Contador-Lager blieb man trotz der erneut nicht ergriffenen Chance gelassen. «Die Tour ist noch völlig offen. Im Vergleich zu den Vortagen hat sich Alberto kontinuierlich verbessert. Das ist ein gutes Zeichen für die Alpen», sagte Saxo-Bank-Teamchef Bjarne Riis. Enttäuscht vom Verhalten der Favoriten zeigte sich Frank Schleck, der mit seinem Bruder die meisten Attacken lanciert hatte. «Alle haben nur an unseren Hinterrädern gewartet.»
Die letzten vagen Hoffnungen von Martin sind dagegen geplatzt. Der HTC-Highroad-Fahrer musste auf dem 168,5 Kilometer langen Abschnitt über sechs Anstiege abermals einen großen Rückstand hinnehmen und sich endgültig vom Traum der Top Ten verabschieden. Er verlor 17:03 Minuten auf die Spitze und ist nun 35. im Gesamtklassement mit einer knappen halben Stunde Rückstand. Nun wird der Wahl-Schweizer alles auf das Zeitfahren am vorletzten Tour-Tag in Grenoble setzen. Auf identischem Kurs hatte er schon bei der Dauphiné-Rundfahrt gewonnen.
Einen unglaublichen Tag erwischte Voeckler, der sein Gelbes Trikot auch im direkten Kampf mit der Tour-Elite verteidigte. Der Franzose, eigentlich kein Spezialist im Hochgebirge, konnte jede Tempoverschärfung mitgehen und wurde Siebter.
Bei zwei spektakulären Stürzen bergab hatte Tour-Routinier Jens Voigt Glück im Unglück. Auf der Abfahrt vom Porte de Lers hatte Voigt einen Schutzengel, als er die Böschung hinunterstürzte, aber von Büschen abgefedert wurde. Er musste sein Rad schultern und auf die Rennstrecke zurück klettern. Nur wenig später erwischte es ihn auf seiner 14. Tour in einer Kurve ein weiteres Mal. Er schlidderte über den Asphalt. Mit Schürfwunden am Ellbogen und an den Beinen konnte er weiterfahren und kam gezeichnet und blutend ins Ziel.
«Ich habe nur ein paar oberflächliche Kratzer, mit denen ich locker nach Paris komme», sagte der Berliner dennoch. Vor zwei Jahren hatte ein Unfall in den Alpen das Tour-Aus und fast das Karriereende des sechsfachen Familienvaters bedeutet.
Das Leopard-Team der Schleck-Brüder bestimmte große Teile der 14. Etappe. Bereits an der ersten von sechs Steigungen waren der älteste Tour-Teilnehmer Voigt und Linus Gerdemann in einer Spitzengruppe. Die Ausreißer passierten auf dem Portet d'Aspet nach 23 Kilometern die Stelle, an der Olympiasieger Fabio Casartelli 1995 bei einem Sturz tödlich verunglückt war. Am Denkmal für den Italiener hatte zuvor Tour-Direktor Christian Prudhomme ein Blumengebinde abgelegt.