Bordeaux (dpa) - Für Mark Cavendish gab es nach seinem vierten Etappensieg bei der diesjährigen Tour de France wie immer eine Umarmung von Erik Zabel, das große Los bei der Siegerehrung in Bordeaux zog aber Alberto Contador.
Dem Spanier, der vor seinem dritten Toursieg steht, gratulierte im Ziel Hollywood-Schönheit Cameron Diaz, flankiert von ihrem Kollegen Tom Cruise. Die Hauptrolle hatte auf der 18. Etappe der 97. Tour de France zuvor aber Cavendish gespielt, der völlig ungefährdet seinen vierten Etappensieg einsammelte. Den Briten störte dabei auch nicht das Fehlen seines bisherigen Anfahrers Mark Renshaw nach dessen Disqualifikation vor einer Woche. «Er gewinnt mit fünf Längen Vorsprung, ohne voll zu sprinten», lobte ihn sein Sportchef Rolf Aldag - und das, obwohl Cavendish gesundheitlich leicht angeschlagen ins Rennen gegangen war.
Der 25-Jährige siegte so überlegen wie noch nie in dieser Tour und konnte sich bei der Zieldurchfahrt sogar provozierend nach seinen Konkurrenten umdrehen. Julian Dean und Alessandro Petacchi, der sich das Grüne Trikot zurückholte, blieben nach 198 Kilometern nur Rang zwei und drei. Dabei ging in Cavendishs HTC Columbia-Team vorher die Angst um. «Wir hatten gestern ein bisschen Bedenken, weil 'Cav' am Abend ein wenig Temperatur hatte. Aber zum Glück ist alles gut gegangen», sagte Aldag.
«Ich will nur gewinnen, egal mit welchem Vorsprung», sagte der Supersprinter von der Isle of Man. «Als Petacchi ging, dachte ich kurz, das war's. Aber dann wurde es doch recht einfach», beschrieb Cavendish die entscheidenden letzten Meter. «So einen wie Mark habe ich noch nie gesehen», freute sich sein Lehrmeister Zabel, der 1995 und 1997 selbst in Bordeaux gewonnen hatte.
Der unglückliche Milram-Sprinter Gerald Ciolek hatte im Finale nicht die besten Karten. Der Pulheimer kam 300 Meter vor dem Ziel nicht an seinem zu langsam gewordenen Teamkollegen Luke Roberts vorbei und schrie seinen Frust noch auf der Zielgeraden heraus. Er musste mit Rang 24 zufrieden sein und hat jetzt nur noch die vage Hoffnung, bei der Schlussetappe in Paris endlich seinen ersten Tagessieg unter Dach und Fach zu bringen.
Cavendish, der sein Traumergebnis von sechs Erfolgen aus dem Vorjahr nicht mehr erreichen kann, bedankte sich ein weiteres Mal bei Zabel: «Er sagt mir genau, was ich machen muss und ich vertraue ihm hundertprozentig. Wenn er mir die Einzelheiten eines Sprintfinales mitteilt, ist das für mich so präzise wie eine Fotografie.»
Die beiden Topfahrer Contador und Andy Schleck, für die am 24. Juli beim 52 Kilometer langen Zeitfahren von Bordeaux nach Pauillac noch einmal die Stunde der Wahrheit schlägt, erholten sich so gut es ging von den Pyrenäen-Strapazen. Die Teams der beiden hielten sich auf der Verfolgung einer vierköpfigen Ausreißergruppe ebenso zurück wie im Finale beim Gerangel der Sprinter-Mannschaften.
Vor dem Kampf gegen die Uhr trennen den Träger des Gelben Trikots aus Spanien und seinen Herausforderer aus Luxemburg weiter acht Sekunden. Wegen der höher eingeschätzten Zeitfahr-Qualitäten dürfte der Vorsprung reichen, Contador den dritten Toursieg nach 2007 und 2009 zu garantieren. Auch wenn der Führende vorsichtig bleibt: «Die Tour ist erst am Sonntag in Paris zu Ende».
Auch Tony Martin, inzwischen in die Niederungen des 143. Platzes im Gesamtklassement abgetaucht, musste sich am Freitag ins Zeug legen für Cavendish. Der bisher enttäuschende Eschborner will am Samstag zeigen, dass er in gewisser Weise auch zur Tour-Elite gehört: «Es müsste schon der Sieg her - alles andere reißt es nicht heraus.» Neben Prologsieger Fabian Cancellara und Contador, der weiter seinem ersten diesjährigen Etappensieg hinterher fährt, zählt er zu den Favoriten beim Zeitfahren.