Berlin (dpa) - Viele Rad-Teams reißen sich um Tony Martin - aber nur wenige passen in sein Anforderungsprofil: Weniger außerordentliche Finanzkraft, sondern vor allem Zeitfahr-Kompetenz ist gefragt.
Damit kommen als mögliche neue Arbeitgeber für den zweifachen WM-Dritten und Tour-de-France-Etappensieger von Grenoble nach dem Aus seines HTC-Teams nur eine Handvoll Mannschaften infrage: die US-Formationen Garmin und RadioShack, Saxo Bank (Dänemark), Sky (Großbritannien), Leopard (Luxemburg) und der australische Neuling GreenEdge.
Wobei das Team Garmin von Jonathan Vaughters, in dem Heinrich Haussler und Andreas Klier fahren, als Favorit gilt. Der 26-jährige Martin könnte die in die Jahre gekommene Zeitfahr-Elite um David Millar und David Zabriskie unterstützen. «Anfang Juli und letzte Woche hatte ich Kontakt mit Vaughters», sagte Martin-Manager Jörg Werner der Nachrichtenagentur dpa. Die Verpflichtung würde auch Sinn im Hinblick auf die WM 2012 in Limburg machen, bei der es zum ersten Mal auch um Medaillen im Mannschafts-Zeitfahren von Werks-Teams geht.
«Zwei, drei Mannschaften» seien laut Martin bei seiner Teamsuche inzwischen in der engeren Auswahl. Dabei gehe es nicht mehr um finanzielle Fragen. «Wir pokern nicht um Geld und lassen uns noch Zeit. Noch ist nichts entschieden», sagte Werner am Dienstag. «Als Weltranglisten-Elfter ist Tony mit seinen Punkten hochbegehrt. Er ist zusammen mit dem Amerikaner Levi Leipheimer der Einzige unter den ersten 70 der Weltrangliste, der zurzeit zu haben ist», erklärte sein HTC-Teamchef Rolf Aldag, der dem Zeitfahr-Spezialisten zu einem neuen Geldgeber folgen könnte.
«Das sind alles mögliche Denkmodelle. Aber jetzt bin ich erst einmal dabei, unseren Angestellten - nicht nur den Fahrern - bei der Suche nach neuen Jobs zu helfen. Um mich kümmere ich mich zuletzt», sagte der Ex-Profi, der in der Szene einen guten Ruf hat und ein Garant für das Erfolgsmodell HTC war.
Dabei ist Martin in einer komfortablen Position. «Ich bin in einer tollen Ausgangslage, mir das beste Team aussuchen und die besten Konditionen aushandeln zu können. Das bezieht sich nicht nur auf das Finanzielle, sondern auch auf das Material, und ob man Fahrer beziehungsweise den eigenen Physiotherapeuten mitbringen kann», sagte der 26-jährige Tour-de-France-Etappengewinner dem Internet-Anbieter «Sport1».
«Eine gemeinsame Lösung mit Aldag ist nicht auszuschließen, aber ich suche in erster Linie für meine Fahrer einen neuen Arbeitgeber», sagte Werner, der seinen Schützling in der Weltrangliste weiter auf dem Vormarsch sieht, zumal der direkt vor ihm platzierte Alexander Winokurow seine Karriere beendet hat.
Nach der durchwachsenen Tour de France, bei der Martin im Gebirge abgehängt worden war, sich aber im letzten Zeitfahren als Sieger rehabilitieren konnte, nahm sich der Wahlschweizer in den vergangenen 14 Tagen eine Auszeit. Laut Manager Werner, der neben Martin auch die hoch gehandelten Sprinter John Degenkolb (HTC) und Marcel Kittel (Skil-Shimano) vertritt, wird der Zeitfahr-Spezialist bei der am 20. August beginnenden Spanien-Rundfahrt wieder am Start stehen, um sich für die WM in Kopenhagen vorzubereiten.
Als zweite Martin-Option hinter Garmin gilt Bjarne Riis' Saxo-Bank- ruppe, die bei einem möglichen Schuldspruch gegen Alberto Contador im Doping-Prozess im November ohne Topfahrer für 2012 dastehen könnte. Auch bei einem Freispruch für den Spanier würde ein weiterer starker Zeitfahrer mit Ambitionen auf das Gesamtklassement bei großen Rundfahrten der Equipe aus Dänemark gut zu Gesicht stehen. Außerdem hatte Contador erst vor kurzem gesagt, dass Zeitfahr-Schwächen im Team mit ein Grund für seine Pleite bei der Tour gewesen seien.