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Das Podium: Ives Lampaert (l), Philippe Gilbert (M) und Nils Politt. Foto: David Stockman/BELGA
14.04.2019 18:12
Starker Politt auf Platz zwei bei Paris-Roubaix

Roubaix (dpa/rad-net) - Nils Politt standen vor Glück und Erschöpfung nach der Zieldurchfahrt im ehrwürdigen Vélodrome von Roubaix die Tränen in den Augen. Immer wieder umarmte und küsste Ehefrau Annike den 1,92-Meter-Hünen, der seinen zweiten Platz bei der 117. Auflage des berühmt-berüchtigten Rad-Klassikers Paris-Roubaix wie einen Sieg feierte. Der ging derweil an Philippe Gilbert (Deceuninck-Quick Step).

«Das ist das Highlight der Karriere. Ich bin einfach nur glücklich, mich einfach was getraut zu haben», sagte der 25-jährige Politt nach seiner bravourösen Vorstellung in der sogenannten «Hölle des Nordens». Der gebürtige Kölner vom Team Katusha-Alpecin musste sich nur Ex-Weltmeister Philippe Gilbert im Sprint geschlagen geben und kam aus dem Staunen nicht heraus: «Zweiter in Roubaix zu sein in meinem vierten Profijahr - unglaublich. Ich kann es noch gar nicht glauben.»

Nach 257 Kilometern, davon 54,5 über das brutale Kopfsteinpflaster, trug sich der Belgier Gilbert erstmals in die elitäre Siegerliste des Rennens ein - Politt war das fast egal. «Gegen Gilbert kann man durchaus im Sprint verlieren. Zweiter zu werden, das ist unglaublich. Am vorletzten Pavé, wo ich losgefahren bin, habe ich mir gedacht: alles oder nichts», sagte Politt nach der sechsstündigen Tortur.

Auch Teamkollege Marco Haller, der gerade in der ersten Rennhälfte immer wieder für Politt Tempo bolzte, war gerührt: «Ich habe so mitgefiebert. Zwanzig Kilometer vor dem Ziel hatte ich Tränen in den Augen. Du merkst dann einfach, Nils fährt um einen Monument-Sieg», sagte der Österreicher.

Gilbert und Politt hatten sich auf dem Weg von Compiègne nach Roubaix 13 Kilometer vor dem Ziel am Carrefour de l'Arbre aus einer kleinen Spitzengruppe abgesetzt - auf Initiative des gebürtigen Rheinländers. Nicht einmal der dreimalige Weltmeister und Vorjahressieger Peter Sagan (Bora-hansgrohe) konnte dem Duo folgen. Im Vélodrome kam es dann zum Duell Mann gegen Mann, das Gilbert gewann. «Mein großes Ziel ist es, alle Monumente zu gewinnen. Dem komme ich Schritt für Schritt näher», sagte Gilbert, dem nur noch ein Sieg bei Mailand-Sanremo fehlt.

Politt, erst in der vergangenen Woche starker Fünfter bei der Flandern-Rundfahrt, lieferte aber eine beeindruckende Vorstellung. Fast während des gesamten Rennens war er im Vorderfeld zu sehen, initiierte Attacken und sorgte für eine stetige Reduzierung der Spitzengruppe.

Dem fiel auch John Degenkolb (Trek-Segafredo) zum Opfer. Der 30-Jährige musste so bei seinem Lieblingsrennen den Traum von seinem zweiten Pflasterstein als Siegerpokal frühzeitig aufgeben. Gut 50 Kilometer vor dem Ziel hatte der gebürtige Thüringer den Sprung in die entscheidende Gruppe verpasst. 2015 hatte der deutsche Klassikerspezialist noch den letzten von bisher nur zwei deutschen Siegen überhaupt geholt.

Das Rennen über die alten Feldwege aus den Zeiten Napoleons wurde seinem Spitznamen «Hölle des Nordens» gerecht. Defekte, Stürze und sogar eine kurzzeitige Windkante prägten die erste Renn-Hälfte. Ein Opfer: Routinier André Greipel (Arkéa-Samsic). Der 36 Jahre alte Roubaix-Siebte von vor zwei Jahren fiel nach einem Reifenschaden ebenso schon früh zurück wie der zuletzt so starke Sprinter-Kollege Alexander Kristoff (UAE-Team Emirates). Zu diversen Sturzopfern zählte auch Joseph Areruya (Delko Marseille Provence), der erste Fahrer aus Ruanda bei Paris-Roubaix. Pech hatte auch Querfeldein-Spezialist Wout van Aert (Jumbo-Visma): Erst erwischte ihn im Wald von Arenberg ein Defekt und als er gerade wieder den Anschluss ans Feld hergestellt hatte, stürzte er in einer Kurve. Er schaffte danach zwar den Sprung in die entscheidende sechsköpfige Gruppe, aus der Politt und Gilbert attackierten, aber fürs Finale fehlten ihm nach den Aufholjagden die Kräfte.

Immerhin blieb es bei kühlen Temperaturen trocken, so dass die Pavé-Abschnitte zwar staubig waren. Die befürchtete Rutschpartie blieb aber aus.

Die Vorentscheidung fiel bereits weit vor Roubaix, auch auf Initiative von Politt. 65 Kilometer vor dem Ziel suchte der junge Rheinländer die Offensive und fuhr in einer Dreiergruppe mit Gilbert und Landsmann Rüdiger Selig weg. Zehn Kilometer später forcierte der Slowake Sagan die Verfolgung. Es blieb eine sechsköpfige Gruppe mit Politt übrig, die den Vorsprung stetig ausbaute.

Eine Woche nach Paris-Roubaix steht am kommenden Sonntag mit dem Amstel Gold Race der nächste Klassiker auf dem Programm. Das Rennen bei Maastricht mit dem berühmten Cauberg ist der Auftakt der hügeligen Ardennen-Woche: Anschließend folgen der Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich.

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