Berlin (dpa) - Sie winkte ins Publikum und war glücklich mit Rang zehn. Doch Bundestrainer Thomas Liese versetzte Claudia Pechsteins Olympia-Ambitionen gleich einen kräftigen Dämpfer.
«Ich habe absolut Respekt vor ihrer Leistung. Aber für internationale Aufgaben reicht dies natürlich nicht aus», sagte der verantwortliche Coach, nachdem die fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin bei ihrem ersten «Seitensprung» zum Bahnradsport den zehnten Platz in der Einzelverfolgung über 3000 Meter belegt hatte.
Von der besten Zeit der Cottbuserin Stephanie Pohl (3:40,135) trennten Pechstein am Ende fast 16 Sekunden. Damit verpasste die Berlinerin die Qualifikation für die Weltcups, über die sich die deutschen Radsportler die Tickets für Olympia in London sichern können. «Es gibt da keine Hintertürchen: Wer die Weltcups nicht fährt, kann sich auch nicht für Olympia qualifizieren», stellte Liese unmissverständlich klar. In London ist im Ausdauerbereich nur die Mannschaftsverfolgung olympisch.
Die 39-jährige Berlinerin, die bis zum 8. Februar wegen auffälliger Blutwerte gesperrt war, ließ im Velodrom der Hauptstadt in 3:56,04 Minuten immerhin elf Spezialistinnen hinter sich und unterbot ihre angestrebte Marke von 4:00 Minuten um fast vier Sekunden.
«Es hat riesigen Spaß gemacht, ich denke, das sieht man mir an. Aber ich nehme die Sache auch sehr ernst. Ich bin sehr zufrieden, aber ich habe noch große Reserven», fasste Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin ihr Rad-Debüt nach nur neun Wochen Training zusammen, als sie nach einer kurzen Erholungsphase erst einmal eine Banane zur Stärkung verdrückte. Am folgenden Tag wird sie im Berliner Velodrom auch im 500-Meter-Zeitfahren starten, gilt aber auch dort als chancenlos.
Doch Pechstein lässt sich davon nicht beeindrucken. «Das war heute keine Eintagsfliege. Jetzt geht es erst richtig los. Ich muss sehen, wie ich künftig Rad- und Eisschnelllauf-Training verbinden kann», sagte sie, nachdem sie ein konstantes Rennen gefahren war - allerdings erwartungsgemäß nicht auf Top-Niveau. «Die Weltspitze beginnt bei 3:40», machte auch ihr Heimtrainer Werner Otto klar. Die Olympia-Norm des Bundes Deutscher Radfahrer steht bei 3:42 Minuten. «Pechstein müsste sich also um 15 Sekunden verbessern, das scheint ausgeschlossen», fügte Liese hinzu.
«Gar nicht so schlecht für eine Frau in ihrem Alter», meinte Matthias Große, Pechsteins Sponsor und Lebensgefährte. «Sie hatte sich nur eine Zeit von 4:00 Minuten vorgenommen, nicht irgendeinen vorderen Platz. Das wäre unrealistisch gewesen», fügte er hinzu. «Wenn Radsportler nach neun Wochen Training gegen die Besten aufs Eis kämen, wäre das Ergebnis klar: Sie würden Letzte werden. Insofern hat sie sich wacker geschlagen.» Für das kommende Frühjahr stellte Coach Otto nun auch Straßenrennen als wichtigen Trainingsschwerpunkt für die Verbesserung der Wettkampfhärte in Aussicht.
Pechsteins Fokus liegt aber weiter auf dem Eisschnelllauf. Daher wird sie nun zunächst erst einmal ein Trainingslager mit dem Auswahl-Team in Inzell bestreiten. «Ich hoffe, das Training auf der Bahn wird mir auf dem Eis einen neuen Push geben», hoffte sie.