Berlin (dpa) - Es wäre eine Wende um 180 Grad: Lance Armstrong erwägt nach einem Bericht der «New York Times» ein Doping-Geständnis. Das Blatt beruft sich auf das nahe Umfeld des 41-Jährigen.
Knickt der frühere Radstar, dem 2012 in einem der größten Skandale der Sportgeschichte alle sieben Tour-de-France-Siege aberkannt worden war, tatsächlich ein? Nach Angaben der Zeitung wird der Texaner von Verantwortlichen der von ihm ins Leben gerufenen Krebsstiftung gedrängt. Außerdem soll er auf einen Deal mit den Anti-Doping-Behörden hoffen, nach dem er wieder an sportlichen Wettkämpfen - vor allem im Triathlon - teilnehmen darf.
Eine umfassende Beichte des früheren Radsport-Dominators, der Doping jahrelang bestritten hatte, ist eher nicht zu erwarten. Armstrong ist in mehrere gerichtliche Verfahren verwickelt, an deren Ende er womöglich Millionenbeträge bezahlen muss. Zudem drohen ihm strafrechtliche Ermittlungen der US-Behörden, unter anderem wegen Meineids. Ein spätes Geständnis könnte ihm - wie einst der Sprinterin Marion Jones - sogar eine Gefängnisstrafe einbrocken.
Wie die «New York Times» unter Berufung auf die Quellen aus dem Umfeld Armstrongs berichtete, hatte sich der Familienvater bereits mit dem Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA, Travis Tygart, getroffen. Zudem sei ein Gespräch mit dem Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, David Howman, geplant. Tygart lehnte einen Kommentar ab. Howman sei nicht erreichbar gewesen.
Armstrongs langjähriger Anwalt Tim Herman dementierte ein Treffen mit Tygart und antwortete auf die Frage, ob sein Mandant Doping zugeben würde: «Lance muss da für sich selbst sprechen.» Ein Geständnis stehe «derzeit nicht zur Debatte», meinte Herman.
Armstrong war nach einem umfangreichen Enthüllungsbericht der USADA vom Radsportweltverband UCI im Oktober lebenslang gesperrt worden. Die US-Fahnder hatten ihm aufgrund von Zeugenaussagen ehemaliger Teamkollegen, Emails, Geldzahlungen und Labor-Analysen jahrelanges systematisches Doping nachgewiesen.
Eine Einspruchsfrist gegen das Verdikt ließ Armstrong Ende 2012 verstreichen. Sein ehemaliger Teamchef Johan Bruyneel geht indes gegen die USADA-Verurteilung vor. Er verlangte eine Anhörung, in der brisanterweise auch Armstrong als Zeuge aussagen könnte. Weitere Details der Machenschaften in den früheren Teams US Postal und Discovery Channel dürften dann ans Licht kommen.
Die «New York Times» berichtete in dem Artikel, keiner der Quellen aus dem Umfeld Armstrongs wolle namentlich genannt werden. Anwalt Herman will mit seinem Mandanten nach dessen Rückkehr von einem Urlaub auf Hawaii über die weiteren Schritte beraten.
Die gefallene Ikone darf wegen der lebenslangen Sperre auch nicht den meisten Rennen des von ihm nun bevorzugten Triathlon-Sports teilnehmen, da die Mehrzahl der Veranstalter die Sanktionen nach dem WADA-Code akzeptieren. Wieder an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen, darin könnte die Motivation liegen, nun doch reinen Tisch zu machen.
Juristisch könnte ein Geständnis hingegen schwerwiegende Folgen haben. Armstrong hatte in Prozessen teils unter Eid ausgesagt, nie gedopt zu haben. Vor Gericht unterlegene Kontrahenten sowie ehemalige Sponsoren verlangen nun teilweise ihr Geld zurück. Die Versicherung SCA Promotions fordert von Armstrong 12 Millionen Dollar, die britische Zeitung «The Sunday Times» 1,5 Millionen Dollar.
Zudem reichte Armstrongs Ex-Teamkollege Floyd Landis - ebenfalls wegen Dopings verurteilt - offenbar eine Klage ein, in die laut amerikanischem Recht bei ausreichendem Tatverdacht auch der Staat einsteigen muss. In der Causa geht es um Steuergelder, mit der der staatliche Postdienstleiter US Postal Doping finanziert haben soll.
Armstrong soll auch aus dem Umfeld seiner Stiftung «Livestrong» zu einem Geständnis gedrängt werden, um einen weiteren Imageschaden abzuwenden. Er hatte die Organisation nach einer überstandenen Hodenkrebs-Erkrankung gegründet. Wegen der Dopingenthüllungen zog er sich von der Stiftung, die bis 2012 noch «Lance Armstrong Foundation» geheißen hatte, dann aber umbenannt wurde, komplett zurück.
Bericht «NY Times»