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Geraint Thomas (r) liegt in der Tour-Gesamtwertung vor seinem Teamkollegen Chris Froome. Foto: Yuzuru Sunada/BELGA
23.07.2018 14:01
Coole Sky-Stars beteuern Loyalität

Carcassonne (dpa) - Vor dem Showdown in den Pyrenäen haben sich Chris Froome und Geraint Thomas sichtlich bemüht, jeden Eindruck eines mannschaftsinternen Duells zu zerstreuen.

Beide stellten sich am letzten Ruhetag der Tour de France gemeinsam der Presse. Vor dem Team-Hotel mitten im Industriegebiet von Carcassonne verzichtete Thomas sogar auf sein Gelbes Trikot als Gesamtführender. «Wir sind gute Kumpels», sagte der Waliser. Sein langjähriger Teamkollege Froome, aktuell Zweiter des Klassements, lächelte.

Nach einer bislang von Sky dominierten Rundfahrt elektrisiert die Frage nach der Taktik des Superteams in der finalen Tour-Woche die Radsport-Welt. «Die werde ich natürlich nicht verraten», sagte Dave Brailsford vor gut 200 Journalisten und mehr als zwei Dutzend Kamerateams. Der Teamchef ist der Architekt des Sky-Erfolgs seit dem Premierensieg 2012 von Bradley Wiggins bei der Tour. In einer solchen - vermeintlich komfortablen - Situation aber war er noch nicht.

Wer ist die Nummer eins im Team? Für wen spannen sich die noch verbliebenen fünf Mannschaftskollegen in den Bergen ein? Wer muss auf mögliche Angriffe der Verfolger antworten? Dürfte Froome überhaupt seinen Kameraden Thomas angreifen, wenn er sich auf den drei knüppelharten Pyrenäen-Etappen besser fühlt? «Darum geht es nicht», sagte Froome entspannt. «Unsere jetzige Situation ist ein Traum. Wir müssen nicht attackieren, die anderen schon.» Die anderen, das sind vor allem Tom Dumoulin aus den Niederlanden (Team Sunweb) auf Rang drei und der viertplatzierte Slowene Primoz Roglic (Lotto NL).

Brailsford hat mehrere Optionen, Sky zum sechsten Tour-Triumph in sieben Jahren zu orchestrieren, aber auch ein Worst Case ist denkbar. «Wenn Dumoulin in Paris vorne wäre, würde das bescheuert aussehen», hatte Thomas am Wochenende gesagt. In der entscheidenden Phase der 105. Tour spielt Teamwork wohl eine zentrale Rolle. Dabei wird Sky der am Sonntagabend wegen einer Tätlichkeit gegen einen gegnerischen Fahrer von der Tour ausgeschlossene Italiener Gianni Moscon fehlen.

Froome, der schon 2012 dem Kapitän Wiggins zum Coup verholfen hatte, obwohl er selbst stärker wirkte, ließ zumindest verbal keinen Zweifel an seiner Team-Loyalität. «Solange einer von uns in Paris ganz oben steht, bin ich happy», sagte der 33-Jährige und wurde auf Nachfragen noch deutlicher. Ist Thomas jetzt sein größter Gegner? «Nein», sagte Froome. Ist er bereit, seinen fünften Tour-Erfolg für Thomas zu opfern? «Ja», antwortete der Serienchampion und lächelte.

Ähnliche Duelle innerhalb einer Mannschaft gab es immer wieder bei der Tour, mit mal mehr und mal weniger loyalen Fahrern. Bernard Hinault attackierte 1986 entgegen vorheriger Beteuerungen seinen Teamkollegen Greg LeMond, wenn auch vergeblich. Jan Ullrich verhalf seinem Telekom-Kapitän Bjarne Riis 1996 zum Gesamtsieg, den er selbst vielleicht hätte holen können. 1997 revanchierte sich der Däne.

Froome selbst griff Gelb-Träger Wiggins 2012 an einem der letzten Tage in den Pyrenäen an, bremste aber kurz darauf wieder und forderte seinen sichtlich erschöpften Kapitän mit einer provozierenden Handbewegung auf, ihm zu folgen. Froome wurde dann Zweiter in Paris. Ein Jahr später begann sein Triumphzug.

«Je näher man Paris kommt, umso mehr will man auf dem Podium stehen», sagte Thomas. Sein Vorteil ist, dass Froome mit ihm - anders als mit Wiggins - befreundet ist. Beide fuhren schon 2008 im Team Barloworld zusammen bei der Tour. «Das ist ziemlich surreal», sagte Froome am Montag. «Keiner von uns hätte damals gedacht, heute hier zu sitzen.»

Der viermalige Tour-Sieger wirkte entspannt und schien die teils chaotische Pressekonferenz samt Baulärm zu genießen. Kein Wunder, bisher hatte er auf Termine dieser Art verzichten können. Er war nicht Gefahr gelaufen, sich gegenüber Reportern über das - kurz vor der Tour abgeschlossene - Dopingverfahren gegen ihn oder die starke Antipathie des französischen Publikums gegen Sky äußern zu müssen.

Brailsford machte übrigens die Hausherren für die Stimmungsmache verantwortlich und sprach von einem «französischen Ding». Beim Giro und der Vuelta sei die Stimmung fantastisch. «Wenn sie (die Tour) ihre Gäste nicht respektiert, kann sie auch ein französisches Rennen daraus machen», kritisierte er in Richtung Tour.

Als Träger des «Maillot Jaune» hatte dagegen Thomas seit Mittwoch Extra-Pflichten wie Trikotübergaben und PR-Termine zu erfüllen. Froome wurde daher sogar gefragt, ob es eine Taktik sein könnte, ihn genau aus diesem Grund erst so spät wie möglich in das Gelbe Trikot zu hieven. Da grinste der Brite breit und sagte: «Vielleicht ist es ja so. Ich jedenfalls habe die frische Luft zuletzt sehr genossen.»


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