Le Grand-Bornand (dpa) - Ein Etappensieg als Genesungswunsch: 24 Stunden nach seinem Horror-Sturz bekam Jens Voigt von seinem Team- Kollegen Frank Schleck den Sieg auf der Königsetappe symbolisch geschenkt.
«Wir widmen diesen Sieg unserem Freund Jens», sagte Schleck, dessen jüngerer Bruder als Dritter den Saxo-Bank-Festtag im Ziel in Le Grand-Bornand komplettierte. «Mit diesem schönen Ergebnis von heute können wir Jens vielleicht ein bisschen helfen. Es hat uns alle motiviert, dass es ihm wieder bessergeht», sagte der Luxemburger Frank Schleck. Der Coup der angriffslustigen Brüder auf der 17. Etappe konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Spanier Alberto Contador die 96. Tour de France weiter nach Belieben dominiert.
Als Tageszweiter überließ er unter den Augen des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy großzügig Frank Schleck den Sieg. «Ich wollte mich bei einem Spurt vor dem Zeitfahren morgen nicht verausgaben», begründete der 26-Jährige seine noble Zurückhaltung. Auf dem 169,5 Kilometer langen Teilstück zementierte der Madrilene seine Herrschaft und baute seinen Vorsprung aus. Nun führt er vor Andy Schleck mit 2:26 und vor dessen Bruder Frank mit 3:25 Minuten. Armstrong, der auf der letzten Alpenetappe wieder Boden verlor, ist nur noch Gesamtvierter mit einem Rückstand von 3:55.
Sein deutscher Astana-Kollege Andreas Klöden, nun Gesamtfünfter (+4:44), war lange stark und musste erst am Schlussanstieg nach einer Contador-Attacke die Schleck-Brüder und seinen spanischen Leader ziehen lassen. Am Ende kam er aber hinter Armstrong als Sechster ins Ziel. Der Texaner konnte nach seinem kurzen Aufflackern vom Vortag, als er kurzzeitig wie zu alten Glanzzeiten im Stakkato-Tritt den Berg hochgestampft war, bereits am vorletzten Anstieg nicht das Tempo der Topfahrer halten. Am Ende schloss er aber in der 15 Kilometer langen Schlussabfahrt zumindest zu Klöden auf.
Das Spitzentrio machte nach dem Schlussanstieg zum 1618 Meter hohen Col de la Colombière den Etappensieg unter sich aus - mit dem besten Ende für den Luxemburger Frank Schleck. Er und sein Bruder haben nun nur noch am vorletzten Tag auf dem Mont Ventoux die Chance, Contador ernsthaft zu gefährden. Im 40,5 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr am Donnerstag rund um Annecy kann der spanische Zeitfahr- Meister fast schon letzte Zweifel an seinem zweiten Tour-Sieg nach 2007 beseitigen.
Vor dem Etappenstart hatte im Tour-Tross Erleichterung über die Nachrichten aus Voigts Krankenlager geherrscht. Dass sich der Berliner «nur» einen Jochbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, nahm auch Armstrong erleichtert zur Kenntnis: «Gute News», twitterte der Texaner, bevor ihm Contador und Co. wieder in den Bergen davonfuhren. Dies verfolgte im Wagen von Tour-Direktor Christian Prudhomme Präsident Sarkozy, der der 96. Tour erstmals seine Aufwartung machte, aus nächster Nähe. Als er im Zielbereich Zuschauer-Hände schüttelte, standen die Sicherheitskräfte Kopf
Linus Gerdemann, der schon 1000 Meter nach dem Start attackierte, war besonders motiviert: Sein zwei Jahre zurückliegender Etappensieg an gleicher Stelle in Le Grand-Bornand, wo er sich für einen Tag das Gelbe Trikot hatte überstreifen dürfen, wirkte offenbar beflügelnd. Der bisher enttäuschende Milram-Kapitän fuhr nach 34 Kilometern in eine dann 22 Fahrer starke Führungsgruppe. Die Ausreißer-Formation, aus der sich Thor Hushovd auf dem zweiten Anstieg absetzte, bestimmte beim Ritt über fünf Alpen-Pässe lange das Geschehen. «Ich habe heute alles auf eine Karte gesetzt und wollte mich zeigen», sagte Gerdemann, der nach eigenen Worten oft an seinen Triumph von 2007 dachte. «Aber die Führungsgruppe ist zu unökonomisch gefahren und ich hatte mal wieder auf die falsche Karte gesetzt», sagte Gerdemann.