Hamburg (dpa) - Die in einem TV-Bericht geäußerten Doping- Vorwürfe gegen Linus Gerdemann haben für hektische Betriebsamkeit gesorgt.
Das Milram-Team und der Bremer Sponsor Nordmilch AG sind im kontinuierlichen Austausch, Experten streiten sich über die Interpretation von Gerdemanns Hämoglobinwerten und der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) forderte den Münsteraner zum Handeln auf. «Für uns gibt es derzeit nichts anderes, als Herrn Gerdemann darauf hinzuweisen, dass er sich sachkundig machen und sich dann äußern soll», sagte BDR-Präsident Rudolf Scharping der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zuvor hatte Gerdemann in dem in der ARD-«Sportschau» ausgestrahlten Bericht, in dem von Hämoglobin-Schwankungen beim Münsteraner im ersten Halbjahr 2006 die Rede war, Doping dementiert. Er habe «auf jeden Fall nicht manipuliert. Das kann ich ausschließen», sagte der 27 Jahre alte Milram-Kapitän.
Der «Sportschau» liegt nach eigenen Angaben ein in Hamburg erstelltes Blutgutachten vor, das auf dem Bericht der Freiburger Untersuchungskommission zu Doping im früheren Team Telekom/T-Mobile basiere. Darin soll von Schwankungen der Hämoglobin-Konzentration zwischen 17,2 und 14,2 Gramm pro Deziliter Blut bei Gerdemann im ersten Halbjahr 2006 die Rede sein. «Das sagt mir überhaupt nichts. Ich bin kein Mediziner», sagte der Münsteraner, der bislang als Hoffnungsträger des deutschen Profi-Radsports galt.
2006 fuhr Gerdemann im früheren T-Mobile-Team, dem die Freiburger Kommission in ihrem Abschlussbericht attestiert hatte, von 1995 bis 2006 «systematisch gedopt» zu haben. Auch Jan Ullrich, dessen Werte in den Jahren 1997 und 2006 laut ARD-Bericht ebenfalls schwankende Hämoglobin-Konzentrationen aufgewiesen haben sollen, trug damals das Magenta-Jersey. Der zurückgetretene Tour-de-France-Sieger von 1997 hat trotz zahlreicher belastender Indizien Doping stets bestritten.
Der Bayreuther Sportphysiologe Walter Schmidt bezeichnete die Hämoglobinwerte «auf den ersten Blick» als «nicht normal». Für Klaus Völker, Sportmediziner an der Universität Münster, liegen Gerdemanns Daten dagegen im «normalen Bereich. Solche Schwankungen können auftreten nach einem Infekt oder nach Dehydrierung», sagte Völker der Tageszeitung «Westfälische Nachrichten». Gerdemann erklärte in der ARD, er sei zum fraglichen Zeitpunkt nicht krank gewesen. Scharping wies darauf hin, dass es sich um «sensible, medizinische Daten» handle und nicht um «spezifizierte Vorwürfe».
Der Freiburger Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier bestätigte der dpa, im Zuge der Ermittlungen gegen frühere Sportmediziner der Freiburger Uniklinik das Hamburger Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Die Nordmilch AG, die noch bis 2010 einen Vertrag mit dem einzigen deutschen ProTour-Team Milram hat, dürfte den ARD-Bericht mit Unbehagen zur Kenntnis genommen haben. «Wir müssen uns erstmal einen Überblick verschaffen, wie die Informationslage ist», sagte Konzernsprecherin Godja Sönnichsen.