Sangerhausen (dpa) - Weder im Jugend- noch im Amateurbereich hatte er es je soweit gebracht. Jetzt streifte sich Christian Knees endlich das «Scheiss-Trikot» über, wie er das Meistershirt auf seine Art liebevoll und gerührt nannte.
Der lange Euskirchener wird es voller Stolz («ein irres Gefühl») bei der 97. Tour de France tragen. Dort wird er es jedoch schwer haben, seinen in Sangerhausen bei den deutschen Straßenmeisterschaften erkämpften Nimbus des besten Radprofis hierzulande zu verteidigen. Denn die Mannschafts-Hierarchie beim einzigen deutschen ProTour-Team, das um einen neuen Sponsor für 2011 kämpft, sieht ihn in erster Linie als Helfer vor.
Knees soll Linus Gerdemann die Wege bereiten, damit der Wahl-Schweizer im Gesamtklassement glänzen kann und/oder eine Etappe gewinnt. Außerdem wird er versuchen, auch dem Sprinter Gerald Ciolek die Strecke in den schnellen Finals in Holland, Belgien und Frankreich zu ebnen. Darüber hinaus soll der 29-Jährige auch noch Kraft aufsparen für eigene Interessen. «Mein erster Etappensieg ist mein Ziel - egal wo. Da bin ich anspruchslos», sagte Knees, der wie der Großteil im Team hofft, dass es auch im nächsten Jahr weitergeht in der Eliteliga des Radsports.
Danach sieht es aber fast nicht mehr aus. Der Milram-Sponsor Nordmilch, seit 2006 im heiklen Radsport-Geschäft, hatte bereits im Vorjahr den Ausstieg für das Saisonende 2010 bekanntgegeben. Team- Manager Gerry van Gerwen hofft auf die kleine Option, dass Nordmilch sich in irgendeiner Form noch weiter engagiert - und auf einen neuen Geldgeber. Seit Monaten versprüht der Niederländer Optimismus, spricht von «vielversprechenden Verhandlungen». Ihr Ergebnis, das über etwa 60 Arbeitsplätze entscheidet, will er am zweiten Ruhetag der Tour de France in Pau verkünden.
Viele der eigenen Profis und Experten von Konkurrenzteams sehen schwarz für die Zukunft der Truppe in den leuchtend blauen Trikots. Der neue deutsche Meister hat zwar noch «keine konkreten Angebote», aber «so oder so keine Angst» um seine Zukunft im Metier. Fabian Wegmann führt seit einiger Zeit Gespräche mit Interessenten aus der ProTour und Ciolek soll sogar schon einen Vorvertrag beim belgischen Parma-Lotto-Team unterschrieben haben.
«Ich bin skeptisch. Es könnte sein, dass es in Deutschland nach dem Aus von Gerolsteiner Ende 2008 im kommenden Jahr keinen ProTour- Rennstall mehr gibt. Eine Regel lautet: Wer zum Tourstart keinen neuen Sponsor hat, bekommt auch keinen», vermutet Ex-Profi Jan Schaffrath, Teamleiter bei der US-Konkurrenz HTC Columbia. Dass es so kommt, wie von Schaffrath beschrieben, musste zuletzt Hans-Michael Holczer mit Gerolsteiner schmerzlich zur Kenntnis nehmen.
Gut möglich, dass das van Gerwen-Team im kommenden Jahr in die zweite Liga absteigt. Dort will NetApp als neue ProContinental- Mannschaft 2011 hin. Das im Vorjahr gegründete Team, das in Sangerhausen mit Andreas Schillinger als DM-Dritten glänzte, will seinen langsamen Aufstieg bis in die Eliteliga fortsetzen. «Wir schmeißen nicht mit Geld um uns und wollen uns weiter kontinuierlich hocharbeiten. Retortenteams gibt es genug», sagte NetApp-Teamchef Stephan Denk, der seine Konzeption zum Tourstart in Rotterdam vorstellen wird. Vorbild bleibt der Fußball-Bundesligist Hoffenheim, der vom selben Sponsor finanziert wird.