Nancy (dpa) - Tony Martin jubelte über das langersehnte Erfolgserlebnis seines Teams - Landsmann Paul Voss erlebte dagegen bei seinem ersten Auftritt in Frankreich die Tour de France von ihrer grausamen Seite.
Kurz vor dem Ende der siebten Etappe, die der italienische Radfahrer Matteo Trentin in Nancy gewann, rauschte der 28 Jahre alte Voss vom Team NetApp-Endura in die Absperrgitter und brach sich dabei das Nasenbein und den kleinen Finger der linken Hand. Ob der Rostocker auf der Tour weiterfahren kann, soll sich am Samstagfrüh entscheiden. Nach Passieren der Ziellinie nach 234,5 Kilometern wurde der sichtlich mitgenommene Voss im Krankenwagen abtransportiert.
Das hauchdünne Sprint-Finale hatte das Unfallopfer nicht mehr mitbekommen. «Ich bin zwei Minuten später durch die Kurve gefahren, in der Paul verunglückte. Das sah gar nicht gut aus für ihn, sein Gesicht war voller Blut», berichtete der älteste Tour-Fahrer und deutsche Rekordteilnehmer Jens Voigt (42). Voss verlor indes keine Zähne, wie zunächst befürchtet worden war.
Spitzenreiter Vincenzo Nibali, der am Samstag bei der ersten «kleinen» Bergankunft der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt in Gérardmer Farbe bekennen muss, hatte keine Mühe, sein Gelbes Trikot zum fünften Mal zu verteidigen. Die letzten beiden Anstiege auf dem Weg nach Nancy schaffte er locker, genau wie sein Herausforderer Alberto Contador.
Auf den letzten 800 Metern der kurvenreichen Zielpassage in Nancy spielten sich bei zwei Stürzen Dramen ab. Neben Voss vom deutschen Zweitliga-Team war neben anderen auch der US-Profi Andrew Talansky verwickelt. Davor war sein Landsmann Tejay van Garderen zu Fall gekommen und verlor im Ziel fast eine Minute auf den Tagessieger. Er blutete aus mehreren Wunden an der rechten Körperseite.
Für die bereits viermal erfolgreichen deutschen Sprinter Marcel Kittel (drei) und André Greipel (eine Etappe) war das Finale etwas zu anspruchsvoll. Zwei Steigungen der vierten und harmlosesten Kategorie mussten 17 und fünf Kilometer vor dem Ziel genommen werden. Dort hatte der wieder unglücklich zweitplatzierte Peter Sagan kurz vor dem Kulminationspunkt attackiert und fuhr zunächst alleine mit dem Belgier Greg van Avermaet Richtung Ziel.
Dann kam aber das rasende Feld und Sagan hatte im Schlussspurt weniger Kraft als Trentin, für den Martin auf den letzten Kilometern vorbildliche Arbeit geleistet hatte. «Heute hat sich die ganze Arbeit endlich ausgezahlt. Wir waren auch nach dem Cavendish-Aus immer motiviert. Matteo war unser Joker - wir wussten, dass er gut über die Berge kommt. Ich bin sehr stolz auf ihn», sagte der dreifache Zeitfahr-Weltmeister.
Normalerweise hätte das Profil der siebten Etappe das ideale Terrain für John Degenkolb sein können. Aber der angeschlagene Thüringer aus dem Marcel-Kittel-Team muss weiter auf den ersten Tour-Etappensieg seiner Karriere warten. «Ich habe ein tiefes Hämatom im Gluteus Maximus, dem größten Muskel des Körpers. Ich habe Schmerzen vom Hintern bis in die Wade. Ich kann nicht voll belasten. Man kann nichts machen und nur warten, bis es besser wird», hatte der Gent-Wevelgem-Sieger am Vortag in Reims die Verletzungsfolgen seines Sturzes auf der Arenberg-Etappe über Paris-Roubaix-Kopfsteinpflaster geschildert. «Ich freue mich auf den ersten Ruhetag am Dienstag».