Sydney (dpa) - Der Dopingskandal um Lance Armstrong zieht weiter Kreise. Unter dem Druck der umfassenden Enthüllungen gestand auch sein frühere Kollege Matt White die Einnahme verbotener Mittel und räumte daraufhin seine Posten als Sportdirektor des Rad-Teams GreenEdge und bei seinem Heimatverband.
Bereits am Freitagabend hatte sich das Team RadioShack-Nissan vom belgischen Teamchef Johan Bruyneel getrennt, dem wichtigsten Wegbegleiter von Armstrong auf dem Weg zu seinen sieben Tour-de-France-Siegen.
Zuvor hatte die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA umfangreiche Beweise für einen jahrelangen Dopingmissbrauch von Armstrong und seinen Rennställen vorgelegt. Eine Reihe ehemaliger Teamkollegen trat als Zeuge gegen den siebenmaligen Sieger der Tour de France auf. Armstrong selbst hat Doping bislang stets bestritten.
In einer Mitteilung von White hieß es: «Es macht mich traurig zu bekennen, dass ich Teil einer Mannschaft war, in der Doping Bestandteil der Teamstrategie war. Und ich war bei dieser Strategie mittendrin.» Er bitte seine Fans, die Medien, seine Familie und Freunde um Verzeihung, schrieb der 38-Jährige. Auch bei früheren Gegnern, die bewusst auf Doping verzichteten, entschuldigte er sich.
Floyd Landis, einer der Kronzeugen im Verfahren gegen Armstrong, hatte White als einen der US-Postal-Fahrer genannt, die mit Hilfe des Blutdopingmittels EPO und durch Testosteron ihre Leistung steigerten. Das Team GreenEdge begrüßte Whites Rücktritt. «Wir hoffen auf eine schnelle und klare Lösung dieses Falls und warten auf die Entscheidung der zuständigen Behörden», hieß es in einer Mitteilung.
Bruyneel hingegen war offenbar nicht ganz freiwillig gegangen, auch wenn er selbst von einem Schritt im «beiderseitigen Einvernehmen» sprach. Der öffentliche Druck auf RadioShack war immens geworden. Top-Fahrer Fabian Cancellara erwog, nie wieder unter Bruyneel zu fahren.
RadioShack-Sportdirektor Kim Andersen sagte, die Trennung von Bruyneel sei «vermutlich der richtige Schritt in Anbetracht der Situation». Andersen war nach der Fusion des Teams und der Ankunft von Bruyneel degradiert worden und durfte die Equipe nicht zur Tour de France begleiten. Der Skandal um Armstrong sei «nicht gut für den Sport», sagte der Däne der Nachrichtenagentur Ritzau. «Man kann nur hoffen, dass es jetzt vorbei ist und wir einen Neuanfang machen können», fügte Andersen hinzu.
Vorbei scheint die Affäre aber noch lange nicht. Am Zug ist nun der Weltverband UCI mit seinem umstrittenen Präsidenten Pat McQuaid. Die einst auffällig Armstrong-freundliche UCI muss binnen drei Wochen entscheiden, ob sie dem Amerikaner wie von der USADA gefordert alle Tour-Titel aberkennt. Tour-Chef Christian Prudhomme hat sich bereits dafür ausgesprochen, für die Rundfahrten 1999 bis 2005 keinen Sieger nachzubenennen, quasi als Mahnmal eines «verlorenen Jahrzehnts».
Armstrong selbst schweigt weiter zu dem mehr als 1000 Seiten starken Bericht der USADA, der Licht ins enorme Ausmaß der Dopingverfehlungen bringt. Via Twitter verwies der gefallene Superstar lediglich auf die Erfolge seiner Stiftung «Livestrong», die ihren 15. Geburtstag feiert. «So stolz auf das, was wir zusammen erreicht haben», schrieb Armstrong offenbar ungerührt.
Schon bald aber könnte es für den 41-Jährigen noch ungemütlicher werden. Die USADA will Armstrong möglicherweise wie einst die Leichtathletin Marion Jones des Meineids überführen. Die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag) berichtete unter Berufung auf einen Anwalt, Armstrong habe Doping 2006 in einem Verfahren unter Eid geleugnet. Sollte das Gegenteil bewiesen sein, könnte Armstrong wie einst Jones im schlimmsten Fall das Gefängnis drohen.