Neapel (dpa) - Ein Ritter in rosa: Das ist der große Traum von Sir Bradley Wiggins, der am Samstag in Neapel seine neue Mission «Giro-Sieg 2013» in Angriff nimmt.
«Unser Ziel ist klar: Wir wollen das Rosa Trikot», sagte Christian Knees der Nachrichtenagentur dpa. Wie im Vorjahr beim Tour-de-France-Triumph des Briten will der lange Bonner wieder wertvolle Helferdienste für seinen von der Queen zum Ritter geschlagenen Teamkapitän leisten. Schon nach dem 17,4 Kilometer langen Mannschaftszeitfahren am Sonntag auf der Mittelmeerinsel Ischia winkt dem Sky-Team rosa.
2012 war die Konkurrenz immerhin gewarnt. Eine beispiellose Siegesserie im Frühjahr hatte den späteren Wiggins-Erfolg bei der Tour fast logisch erscheinen lassen. Diesmal ist alles anders - und trotzdem holt der 33-Jährige wieder zum großen Schlag aus. Lokalmatador Vincenzo Nibali, dem die sechs Bergankünfte besonders entgegenkommen, stellt sich dem dürren Briten auf insgesamt 3455,8 Kilometern mit den größten Aussichten entgegen.
Wiggins, der im Februar einen folgenschweren Trainingsunfall wegstecken musste, hat die Vorbereitung im Vergleich zum Vorjahr völlig umgekrempelt. Der Zeitfahr-Olympiasieger machte sich in dieser Saison rar. Mehr als ein magerer Sieg im Teamzeitfahren bei der Trentino-Rundfahrt sprang nicht heraus. Wiggins bastelte eher im Verborgenen, auf Mallorca und in der Höhe, an seiner Form. «Aber ich glaube, er ist in etwa so stark wie im Vorjahr vor der Tour», meinte Knees. Zum Giro-Auftakt sieht er das Trikot - einen Erfolg auf Ischia vorausgesetzt - noch nicht auf Wiggins' Schultern. Aus taktischen Gründen könnte laut Knees «vielleicht ein anderer von uns als erster über die Ziellinie rollen».
Am 26. Mai in Brescia wird feststehen, ob der exzentrische Brite neben das Gelbe Trikot auch das Maglia Rosa in seinen Schrank legen kann. Die 100. Tour spielt in seinen Überlegungen vorerst noch keine Rolle. Nach offizieller Lesart will sich Wiggins in Frankreich diesmal in den Dienst des Vorjahres-Zweiten Christopher Froome stellen. Allerdings rumort es hinter den Kulissen zwischen Wiggins und seinem Kronprinz schon mächtig. Ob Knees auch bei der Tour wieder seine helfende Hand reicht, will er mit der Teamleitung nach dem Giro festlegen. Eigene Ambitionen hat er in Italien im Gegensatz zum Thüringer John Degenkolb, der auf Etappenjagd gehen will, nicht.
Wiggins freut sich auf die neue Herausforderung, zumal er hofft, von der ständigen Begleitmusik der Doping-Diskussion in Italien verschont zu bleiben. «Der Giro war immer ein Rennen, das ich bestreiten wollte und ich kann kaum erwarten, dass es losgeht», sagte Wiggins, der im Rückblick im Internet-Portal «Cyclingnews» bekannte: «Nur das letzte Wochenende bei der Tour hat mir Spaß gemacht. Davor gab es von morgens bis abends nur ein Thema: Doping. Man musste sich ständig rechtfertigen. Ich hoffe, beim Giro geht's um den Sport.»
Sein großer Trumpf neben der eigenen Zeitfahr-Stärke - 92,3 Kilometer gegen die Uhr stehen auf dem Giro-Plan - soll wieder das unwiderstehliche Teamwork sein. Bei der Tour 2012 erfuhr sich die Sky-Equipe den von Verdächtigungen begleiteten Ruf, so unbezwingbar wie einst die US-Postal-Truppe von Lance Armstrong zu Werke gegangen zu sein. Spätestens seit dem Doping-Geständnis des Texaners waren die wahren Gründe der auffälligen Überlegenheit Armstrongs bekannt.
Etwaigen Skeptikern hält Knees entgegen: «Wir haben sehr dominante Fahrer und der Teamgedanke ist bei uns stärker als woanders. Aber das, was US-Postal gemacht hat, machen wir nicht».