Kopenhagen (dpa) - Kurz vor dem Start der 97. Tour de France in Rotterdam herrscht beim Mitfavoriten Saxo-Bank-Team das blanke Chaos. Manager Bjarne Riis bestätigte den Wechsel der Schleck-Brüder für die nächste Saison nach Luxemburg.
Zudem entließ Riis, seit Monaten auf der Suche nach einem neuen Sponsor für 2011, seinen Sportdirektor Kim Andersen mit sofortiger Wirkung. Die Radprofis Andy und Frank wollen in Zukunft für eine neue Mannschaft in ihrem Heimatland unter Leitung des ehemaligen Saxo-Bank-Sprechers Bryan Nygaard fahren. Auch der Däne Jokob Fuglsang, ebenfalls im aktuellen Saxo-Bank-Tour-Team, soll gehen. Und der gerade vor die Tür gesetzte Andersen soll dort als sportlicher Leiter fungieren.
Trotz der chaotischen Zustände in der dänischen Formation weicht der frühere Toursieger und geständige Doping-Sünder Riis nicht von seiner Linie. Im dänischen Fernsehen sagte er: «Ich setze weiter voll auf den Toursieg von Andy Schleck und das Gelbe Trikot nach dem Prolog durch Fabian Cancellara». Dänische Zeitungen titelten mit den Tenor: «Riis-Team in Scherben».
Jens Voigt, seit Jahren eine Art Trumpf-As von Riis bei der Tour, ist nicht geschockt. «Es gab Gespräche zwischen Kim und Bjarne schon während der Tour de Suisse. Wir wussten so ungefähr Bescheid. So ist nun mal der Lauf der Dinge», sagte Voigt der Nachrichtenagentur dpa und schwenkte auf die Riis-Linie ein: «Das wird keine Auswirkungen auf unseren Auftritt bei der Tour haben. Wir sind seit Jahren eine eingeschworene Gemeinschaft und werden weiter an einem Strang ziehen, um einen der Schleck-Brüder ganz nach oben aufs Podium zu bringen.»
Über die eigene berufliche Zukunft hat sich der 38-Jährige noch keine Gedanken gemacht. «Ich will mich nicht verzetteln und bin sowieso kein Typ, der sich zehn Optionen offen hält. Erstmal heil in Paris ankommen - dann sehen wir weiter», sagte Voigt, der im Vorjahr einen folgenschweren Sturz in den Alpen überstehen musste, der ihn fast die Karriere gekostet hätte. Der Mecklenburger, der zweimal das Gelbe Trikot trug, will noch ein Jahr in der Belétage des Radsports weiter fahren.
Der 25-jährige Andy Schleck, im Vorjahr Zweiter hinter Alberto Contador, dem er in den Bergen als einziger halbwegs folgen konnte, wollte eigentlich das Gelbe Trikot anpeilen. Doch nun dürfte der Plan, Contador in die Schranken zu weisen und Lance Armstrong in Schach zu halten, noch schwerer zu verwirklichen sein.
Zumindest haben die Schlecks geklärt, dass ihr persönlicher Geldfluss nicht jäh abreißt. Einzelheiten zum zukünftigen Sponsoring in Luxemburg wollte der umtriebige Nygaard, der beim Giro d'Italia im Mai noch Sprecher des britischen Sky-Teams war, noch nicht mitteilen. Er verkündete aber vollmundig: «Wir wollen die besten der Welt».
Schleck-Entdecker Bjarne Riis steht bei der Suche nach einem potenten Sponsor mit dem Rücken zur Wand. Ihm droht wie Hans-Michael Holczer 2008 mit Gerolsteiner das Aus. Zumal im heiklen Metier allzeit Vorsicht geboten ist: Schon einmal hatte Riis vor zwei Jahren auf einen neuen Geldgeber gesetzt - doch der Chef des Computer-Unternehmens IT Factory wurde kurz nach Vertragsunterschrift mit dem Dänen wegen Unterschlagung von angeblich 67 Millionen Euro in Haft genommen. Das versprochene Geld für das Co-Sponsoring sah Riis nie.