Paris (rad-net) - Am kommenden Sonntag startet die Premiere der Tour de France der Frauen. Im Peloton werden auch acht deutsche Fahrerinnen vertreten sein. Eine von ihnen ist Romy Kasper, die von ihrem Team Jumbo-Visma nachnominiert wurde und damit ihre bereits zweite Grand Tour in diesem Jahr bestreitet.
Vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt sprachen wir mit der 34-Jährigen, die als eine der erfahrensten Rennfahrerinnen überhaupt gilt, über ihre Ambitionen, die Ziele ihres Teams und die Bedeutung der Tour de France Femmes für den Frauenradsport.
Wie ist es zu der kurzfristigen Nachnominierung gekommen?
Romy Kasper: Ich war die erste Reserve und da nun eine Fahrerin kurzfristig noch ausgefallen war, kam am Donnerstag noch der Anruf, dass ich bei der Tour starten kann. Ich freue mich natürlich sehr darüber.
Gezielt konntest Du Dich nun nicht auf die Tour vorbereiten, aber fühlst Du Dich soweit fit?
Kasper: Ich bin aus dem Giro d'Italia mit guter Form gekommen. Trotz des Sturzes und der Hitze in Italien habe ich die Rundfahrt gut verkraftet. Danach habe ich eine kurze Pause gemacht und mich gut erholt und kann schon sagen, dass ich fit bin.
Was werden Deine Aufgaben sein?
Kasper: Ich werde vor allem Helferdienste übernehmen und Marianne [Vos, Anm. d. Red.] in den Sprints unterstützen, beziehungsweise sie in Position bringen. Hinten raus kann ich dann eventuell auch mal in eine Spitzengruppe gehen.
Was habt ihr euch als Team vorgenommen?
Kasper: Da wir niemanden fürs Gesamtklassement oder die Bergetappe haben, fokussieren wir uns auf die Sprintetappen und die mittelschweren Teilstücke. Wir sind mit einer starken Mannschaft am Start und unser Team ist auf Tageserfolge mit Marianne ausgerichtet. Vielleicht klappt es ja sogar schon am ersten Tag auf dem Champs-Élysées und sie kann dort ins Gelbe Trikot fahren. Das wäre für unser Team etwas Besonderes, wenn wir quasi das Double schaffen würden und die Jumbo-Visma-Männer uns den Staffelstab übergeben: Jonas Vingegaard also in Gelb in Paris ankommt und Marianne Vos in Gelb in die Tour startet. Wir geben auf jeden Fall unser Bestes, um das zu erreichen.
Außerdem wollen wir eins, zwei weitere Etappe gewinnen. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, bin ich stolz darauf.
Du hast als Rennfahrerin schon so ziemlich alles gesehen, hast alle großen Rennen gefahren, warst bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen am Start. Was erwartest Du Dir von der Tour de France? Wird es dort nochmal neue Eindrücke geben?
Kasper: Ich lasse es auf mich zukommen. Ich freue mich auf das Rennen, bin aber nicht deshalb besonders aufgeregt. Vielleicht kommt das noch, wenn es Sonntag losgeht und der Hype und die Atmosphäre von der Tour der Männer auf uns überschwappt. Mich würde es freuen, wenn unsere Tour genauso fortgeführt wird und wir dieselbe Aufmerksamkeit bekämen.
Was war Dein erster Gedanke, als vergangenes Jahr die Tour de France Femmes angekündigt wurde?
Kasper: Es wurde ja schon eine Zeitlang gesagt, dass es eine Tour geben wird, aber man wusste nichts Konkretes. Es war dann schon ein cooles Gefühl, als es Realität wurde. Mein erster Gedanke war: Hoffentlich wollen die Veranstalter die Tour nicht extra lang und zu schwer machen, nach dem Motto «Höher, schneller weiter». Aber die Strecke bietet einen guten Mix.
Dir gefällt also Streckenführung?
Kasper: Ja, auf jeden Fall. Sie bietet etwas für jeden Fahrertyp: Es gibt Sprintetappen, mittelschwere Etappen und nur am Ende zwei richtig schwere Bergetappen. Es ist etwas schade, dass kein Zeitfahren dabei ist. Aber es ist das erste Mal, dass die Rundfahrt so stattfindet, also ist das in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass wir den Zuschauern spannende Rennen bieten können.
Ist die Tour de France ein entscheidender Schritt im Frauenradsport?
Kasper: Sie ist ein wichtiger Schritt, aber kein entscheidender Schritt - eher einer ein weiterer Baustein. Ich denke, dass andere Rennen und Dinge bereits dafür gesorgt haben, dass sich der Frauenradsport in die richtige Richtung entwickelt. Mein persönliches Highlight war die Premiere von Paris-Roubaix der Frauen, die gezeigt hat, dass wir Frauen genauso schwere Rennen wie die Männer erfolgreich bestreiten können und unsere Rennen genauso spannend sind.
Aber letztendlich kommt es auch darauf an, wie die Tour de France der Frauen angenommen wird. Ich hoffe, dass die Infrastruktur der Männer bestehen bleibt und auch die Medien den sowieso schon für die Männer betriebenen Aufwand die acht Tage fortsetzen.