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Tadej Pogacar hat bei der Tour de France die Führung in der Gesamtwertung übernommen. Foto: Christophe Ena/AP/dpa
19.09.2020 19:22
Pogacar nach Sensation vor Toursieg: «Glaube, ich träume»

La Planche des Belles Filles (dpa) - Nach einem Tag für die Geschichtsbücher schlug Tadej Pogacar die Hände vor das Gesicht und konnte sein Glück nicht fassen. Der junge Slowene warf den Stoff-Löwen in die Luft und präsentierte stolz das Gelbe Trikot auf dem Podium.

«Ich glaube, ich träume. Ich weiß nicht, wann ich das kapieren werde», sagte der Youngster, nachdem er das Radsport-Wunder bei der 107. Tour de France perfekt gemacht hatte. Mit einer furiosen Fahrt knöpfte der 21-Jährige seinem bislang so souveränen Landsmann Primoz Roglic noch im Bergzeitfahren am vorletzten Tag das Gelbe Trikot ab und steht damit unmittelbar vor dem Gesamtsieg.

Wie konnte das nur passieren? Roglic sackte auf dem Plateau in La Planche des Belles Filles enttäuscht auf den Asphalt, sein Blick völlig leer. Auch seine Teamkollegen standen konsterniert im Zielbereich und konnten das Geschehene nicht begreifen. Der Tour-Debütant Pogacar gewann am Samstag den Kampf gegen die Uhr über 36,2 Kilometer und ließ Roglic 1:56 Minuten hinter sich.

Pogacar geht nun mit einem Vorsprung von 59 Sekunden auf die letzte Etappe nach Paris, wo das Gelbe Trikot traditionsgemäß nicht mehr angegriffen wird. Er wird als zweitjüngster Gesamtsieger in die Tour-Historie eingehen. Nur Henri Cornet war 1904 mit 19 Jahren und 355 Tagen noch jünger. Aber das waren damals völlig andere Zeiten.

An diesem Tag wurden Erinnerungen an das spannende Tour-Finale 1989 wach, als Greg Lemond im abschließenden Einzelzeitfahren noch Laurent Fignon abfing und mit acht Sekunden Vorsprung den Toursieg holte. Danach gab es kein Einzelzeitfahren mehr am Schlusstag. «Mein Traum war es, an der Tour teilzunehmen und jetzt gewinne ich sie», sagte Pogacar.

Dabei war Roglic der große Favorit, hatte er in seiner Karriere doch schon vier Zeitfahren bei großen Rundfahrten gewonnen. Doch der sonst so coole Ex-Skispringer verlor offenbar die Nerven. Kilometer für Kilometer büßte er Zeit ein, am Schlussanstieg ging dann nichts mehr. Der Mann, der immer ein Plan hatte, fuhr planlos den Berg hinauf. Verkrampfte und verlor die Kontrolle über das Geschehen, wo er doch die gesamte Tour dominiert hatte.

Pogacar benötigte für die 36,2 Kilometer mit der heftigen Kletterpartie nur 55:55 Minuten und war damit sogar 1:21 Minuten schneller als Roglics Teamkollege Tom Dumoulin und der Australier Richie Porte, der noch auf den dritten Gesamtrang vorrückte. «Ich kannte jede Kurve, jede Stelle, wo ich beschleunigen musste. Ich war perfekt vorbereitet», sagte Pogacar. Es war zugleich der dritte Etappensieg des Youngsters bei der Tour 2021.

Schon im vergangenen Jahr hatte Pogacar bei der Vuelta mit drei Etappensiegen und Gesamtrang drei verblüfft. Damals triumphierte noch Roglic. «Ich muss die Arbeit zu Ende bringen», hatte Roglic vor dem Bergzeitfahren noch gesagt.

Bester Deutscher war im Kampf gegen die Uhr Maximilian Schachmann, der 3:59 Minuten zurück auf einen starken 17. Platz fuhr. «Ich bin nach Gefühl gefahren. Am Ende lief es gar nicht so schlecht», sagte Schachmann, der bereits Kräfte für die WM in einer Woche sparen wollte.

Es wurde richtig spannend. Schon nach wenigen Kilometern hatte Roglic zwölf Sekunden auf seinen jungen Rivalen verloren. Nach 20 Kilometern war der Rückstand auf 28 Sekunden angewachsen. Und das im flachen Teil der Strecke, auf dem Roglic klar favorisiert war. Am Schlussanstieg kannte Pogacar dann kein Halten mehr.

Damit gewinnt Pogacar auch noch das Bergtrikot und natürlich das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Das Grüne Trikot ist dem Iren Sam Bennett bei 55 Zählern Vorsprung auf Ex-Weltmeister Peter Sagan kaum mehr zu nehmen. Damit endet eine Ära, sieben Mal hatte der Bora-hansgrohe-Kapitän in den letzten acht Jahren das Maillot Vert getragen. Einzige Unterbrechung war seine Disqualifikation 2017.

Die 21. und letzte Etappe startet am Sonntag in Mantes-la-Jolie und endet nach 122 Kilometer auf den Champs Élysées. Dort dürfte es wieder zu einem Massensprint kommen. Wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen sind aber nur 5000 Zuschauer im Zielbereich erlaubt.


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