Revel (dpa) - Doping, Korruption, Bestechung: Der dreimalige Tour-Sieger Greg LeMond hat in einem Rundumschlag gegen Lance Armstrong und den Weltverband UCI mafiöse Strukturen im Radsport angeprangert.
«Er und seine Leute waren meiner Meinung nach mit das Schlimmste, was dem Radsport passiert ist», sagte LeMond über seinen Landsmann Armstrong im Interview der «Süddeutschen Zeitung». Es gelte die Regel «Schweigen, zahlen - es ist fast wie bei der Mafia», meinte der Amerikaner.
Der 49-Jährige hofft aber, dass sein Intimfeind Armstrong im Zuge der neuen US-Ermittlungen noch des Dopings überführt wird. «Armstrong wird es erwischen, da bin ich mir sicher, er ist Geschichte», betonte LeMond. Der Tour-de-France-Sieger von 1986, 1989 und 1990 soll laut «New York Daily» am 30. Juli vor einer Grand Jury zum Fall Floyd Landis aussagen. Armstrongs Ex-Teamkollege Landis hatte von systematischem Doping im früherem US-Postal-Team gesprochen.
Das Bild, das LeMond vom Profi-Radsport zeichnete, ist verheerend. Armstrong habe die UCI und die Tour-Organisatoren fest im Griff. Sein Rücktritt 2005 sei nur «Show» gewesen, um nach den positiven EPO- Nachtests zur Tour 1999 Unruhe zu vermeiden. Im Vorjahr seien im Müll des damaligen Armstrong-Teams Astana «seltsame Dinge» gefunden worden - und die UCI habe wieder nicht gehandelt. «Wenn er ein normaler Fahrer wäre und kein Krebs-Überlebender mit einer Maschine um sich herum - dann wäre er schon lange draußen», glaubt LeMond.
«Gegen wenige Fahrer gab es doch so viele Belege und Hinweise wie gegen Armstrong. Jan Ullrich zum Beispiel oder andere waren wegen der Puerto-Affäre dran.» Damit die Chance auf ein wirkliches Saubermachen möglich sei, müsse die UCI-Spitze um Präsident Pat McQuaid gehen. «Ich weiß nicht, ob ich den Vergleich benutzen sollte, aber es erinnert mich schon an die katholische Kirche und ihre Missbrauchsopfer», meinte LeMond.
McQuaid wollte - wie Armstrongs RadioShack-Team - die heftigen Vorwürfe nicht kommentieren. «Ich will nichts zu Armstrong, LeMond oder Landis sagen», erklärte der Ire der Nachrichtenagentur dpa.
LeMond, der mit Armstrong seit 2001 im Streit liegt, unterstellte dem Texaner weitere Zahlungen an die UCI. Er habe von 500 000 Dollar gehört. Der Verband hatte zuletzt zwei Armstrong-Spenden von zusammen 125 000 Dollar eingeräumt. «Wurde vielleicht sogar Geld seiner Krebsstiftung zweckentfremdet?», fragte LeMond. Armstrong habe 1999 bei seinem Tour-Sieg einen «Deal mit der UCI» gehabt, da er ein Attest über ein verbotenes Kortison-Präparat habe nachreichen dürfen. «Warum soll es nicht weitere geben?»
Mit den Profi-Generationen nach ihm hat LeMond Mitleid. Der Radsport treibe unschuldige Kerle unbeabsichtigt in ein kriminelles Verhalten: «Sie sind doch nur Ausführende, Versuchsschweine aus dem Labor.» In den 90er Jahren seien plötzlich junge Kerle gestorben, in diesem Frühjahr sei der Luxemburger Kim Kirchen bei der Tour de Suisse vom Rad gefallen, «aber niemand redet darüber», klagte LeMond. «Auch die Toten kommen unter den Teppich», lautet sein bitteres Fazit.
Armstrong bezichtigt er in der «Süddeutschen Zeitung» zudem der Bestechung. Der Tour-Rekordsieger habe jemandem 300 000 Dollar (232 000 Euro) dafür geboten, «um zu behaupten, dass ich EPO nahm», behauptete LeMond. Armstrong wies die Anschuldigung am Sonntag nach der 14. Tour-Etappe als «Nonsens» zurück. LeMond hat wie sein Landsmann Doping stets bestritten.
Für LeMond ist es bemerkenswert, dass der sonst so klagefreudige Armstrong nicht juristisch gegen seinen Ex-Teamkollegen Landis vorgegangen ist. Es gebe keine Armstrong-Klage, «weil Floyd die Wahrheit sagt. Und sie wissen es, er selbst, die anderen Beschuldigten, ihre Anwälte wissen es», meinte LeMond weiter.
Die gesamten Vorwürfe scheinen an Armstrong nicht einfach so abzuprallen. Für eine bei ihm sonst nicht übliche Nervosität sprechen seine mittlerweile bereits fünf Stürze bei der laufenden Frankreich-Rundfahrt, bei der er sportlich längst zu den Akten gelegt wurde.