Cottbus (dpa) - Der Vergleich war einigen schnell zur Hand. Tony Martin findet es allerdings «unangemessen», in einem Atemzug mit Jan Ullrich genannt zu werden, abgesehen von den Doping-Geschichten, die sich um den einstigen Superstar des deutschen Radsports ranken.
«Ullrich hatte in meinem Alter schon die Tour de France gewonnen und war ein Jahrhundert-Talent», sagte der ausgebildete Polizeimeister vom T-Mobile-Nachfolger Columbia-Highroad. Martins zweiter Platz im Gesamtklassement der Tour de Suisse, sein dort errungenes Bergtrikot und der Sieg auf dem schweren Gebirgs-Abschnitt in Crans Montana hatten den 24-Jährigen in kürzester Zeit zum Senkrechtstarter der deutschen Radprofis werden lassen. Selbst der Gewinn der deutschen Bergmeisterschaft 2007 hätte einen solch schnellen Aufstieg kaum erahnen lassen.
Im zweiten Profijahr war aus dem eigentlichen Zeitfahr-Spezialisten ein fast schon gestandener Allrounder geworden, der sich folgerichtig im nach Erfolgen gemessen erfolgreichsten Team der Welt schon vorzeitig die Tour-Nominierung verdiente. Der in Cottbus geborene Martin, der im Alter von vier Jahren kurz vor der Wende über Ungarn mit seinen Eltern nach Hessen floh, fährt zu seiner Frankreich-Premiere als deutscher Vizemeister im Zeitfahren. Bei der Tour will er in seiner Spezial-Disziplin aufs Treppchen - mindestens.
Zusammen mit seinem Teamleiter, Ex-Profi Rolf Aldag, hätte er für 2009 sein Trainings- und Wettkampf-Programm gestaltet. «Er musste mich manchmal bremsen, ich wollte zu schnell zu viel», sagte Martin, der die enorme Verbesserung seiner Kletter-Künste einem Tour- Trainingslager in Andorra kurz vor dem Start der Tour de Suisse zuschreibt: «Danach habe ich einen Sprung gemacht.» Dazu kam eine merkliche Gewichts-Reduzierung. Bei 1,86 Meter Körpergröße bringt er 76 Kilo auf die Waage, «zwei bis drei Kilo weniger als voriges Jahr».
Am 4. Juli beginnt für ihn im Fürstentum Monte Carlo das Abenteuer Tour de France. «Ich konzentriere mich in erster Linie auf die drei Zeitfahren und will Kim Kirchen in den Bergen und Mark Cavendish in den Sprints unterstützen. Das von Rolf Aldag propagierte Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers kommt für mich wohl nur etappenweise in Frage. Es mir für Paris vorzunehmen, wäre wohl zu viel», meinte Martin, der bei den deutschen Zeitfahr-Meisterschaften in Cottbus als Zweiter hinter seinem Team-Kollegen Bert Grabsch merkte, dass die Bäume auch für ihn nicht in den Himmel wachsen.
«Die Tour de Suisse steckt mir auch eine Woche danach noch in den Knochen. Neun Tage am Limit zu fahren, war für mich neu. Ich fühle mich ein bisschen müde», meinte Martin. Ihm bleiben noch sechs Tage Zeit, seine Akkus wieder aufzuladen.