San Vendemiano (dpa) - Als Nachwuchsfahrer gewann Alessandro Petacchi einige Rennen, aber nie im Spurt. Sein Profi-Debüt begann eher schleppend mit einem Etappensieg in Malaysia. Beim 87. Giro d 'Italia hält kein Superlativ seinem Antritt stand.
Acht Siege nach 15. Etappen: Der 30-jährige Blondschopf aus La Spezia stellte damit einen neuen Nachkriegs-Rekord auf - und spekuliert noch auf einen Nachschlag. Wenn Petacchi, den die einheimische Presse wegen seiner enormen Geschwindigkeit «Ale-Jet» taufte, die Berge übersteht, hat er noch große Chancen beim Finale in Mailand.
«Die Schlussetappe interessiert mich am meisten», sagte Petacchi und prophezeite der Konkurrenz in nah und fern harte Zeiten: «Zwischen Giro und dem Beginn der Tour de France liegt diesmal viel Erholungszeit und ich fühle mich im Moment nicht so kaputt wie im Vorjahr.» Das war als klare Drohung zu verstehen. 2003 gewann der legitime Nachfolger des langsam in Altersteilzeit rollenden Mario Cipollini sechs Giro-Etappen und danach vier bei der Tour, bevor er die Frankreich-Rundfahrt mit einer Infektion nach einer Woche verlassen musste. Innerhalb eines knappen Jahres baute sich der Fahrer des Baustoff-Sponsors Fassa Bortolo mit 23 Etappensiegen bei den drei großen Länder-Rundfahrten Giro, Tour und Vuelta ein Denkmal.
Für Vergessliche zeigt der jubelnde Petacchi bei der Zieldurchfahrt mit den Fingern immer die aktuelle Anzahl seiner Siege an. «Er könnte auf den letzten Metern auch Zeitung lesen oder einen Kaffee trinken - er ist zur Zeit unschlagbar und mit Abstand der Schnellste von uns allen», erkannte sein Cottbuser Konkurrent Olaf Pollack neidlos an. Beim laufenden Giro war er Träger des Rosa Trikots für einen Tag und war vier Mal Zweiter und zwei Mal Dritter hinter Petacchi, für den bei seinem sechsten Etappensieg in Triest auf ebener Straße eine Spitzengeschwindigkeit von 70,2 km/h gemessen wurde. Den absoluten Etappen-Rekord hält allerdings Alfredo Binda, der 1927 von 15 Abschnitten 12 gewann.
Sein Teamchef alter Schule, Giancarlo Ferretti, der in den 80er Jahren schon Rolf Gölz betreute, hatte Petacchi ursprünglich als Wegbereiter für die Erfolge anderer vorgesehen - als Anfahrer. Ein Zufall brachte den neuen italienischen Star in die Pole-Position, und als er bei der Vuelta vor zwei Jahren zwei Etappen gewann, prophezeite Erik Zabel Petacchi eine große Zukunft. Der Weltranglisten-Zweite aus Unna kann für sich in Anspruch nehmen, Petacchi beim Weltcup-Rennen Paris-Tours im vergangenen Oktober eine seiner bittersten Niederlagen zugefügt zu haben.
Anders als der 38-jährige Cipollini, der den Giro verletzt aufgab und über einen Tour-Start und die Fortsetzung seiner Karriere nachdenkt, hat Petacchi nicht den Hang zur großen Geste. Während «Super-Mario» im Jet-Set zu Hause ist, interessiert sich Petacchi nicht nur für die Lichtgestalten. Sein bester Freund ist Lorenzo Ricci, Paralympics-Gewinner über 100 Meter.