Annecy-Semnoz (dpa) - Der alte Mann Jens Voigt wollte es noch einmal allen zeigen, Christopher Froome steht unmittelbar vor seinem ersten Sieg bei der Tour de France:
Der vorletzte Tag des Jubiläums hatte es auf lediglich 125 Kilometern nach Annecy-Semnoz noch einmal in sich und wirbelte das Podium hinter dem designierten Gesamtsieger aus Großbritannien durcheinander. Zum großen Defilee von Versailles nach Paris treten am Sonntag Froome, der Kolumbianer Nairo Quintana und der Spanier Joaquin Rodriguez als die drei Erstplatzierten an. Daran wird sich zu 99 prozentiger Sicherheit auf den letzten 133,5 Kilometern auf die Champs Elysées nichts mehr ändern. «Mir fehlen die Worte. Ich bin total ausgelaugt, aber jetzt habe ich es geschafft», sagte Froome im Ziel.
Auf der letzten Alpenetappe hatte es sich der Mann im Gelben Trikot sogar leisten können, im Finale nicht mehr alles in die Waagschale zu werfen. Auf den letzten 800 Metern ließ er nach - die große Tour-Entdeckung Quintana feierte im Ziel der 20. und vorletzten Etappe in Semnoz den Tagessieg vor Rodriguez. Froome geht jetzt mit 5:03 Minuten Vorsprung auf den neuen Gesamtzweiten aus Kolumbien, der sich auch das gepunktete Bergtrikot und das Weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer sicherte, ins Finale nach Paris. Rodriguez (+ 5:47) verdrängte den zweifachen Toursieger Alberto Contador noch vom Podium.
Auf der vorletzten Etappe hieß der Held des Tages aber nicht so sehr Quintana, Froome oder Rodiguez, sondern Jens Voigt. Der mit fast 42 Jahren älteste Tourteilnehmer setzte sich am Samstag wieder einmal als bedingungsloser Angreifer in Szene. Sein Solo an der Spitze endete erst acht Kilometer vor dem Ziel, als ihn der von Froome angeführte Express überholte.
Kurz danach attackierten der Brite, Quintana und Rodriguez. Die Tempoverschärfung auf der fast zehnprozentigen Steigung ging zu Lasten Contadors, der zurückfiel und seinen zweiten Platz im Gesamtklassement verlor. Der Spanier hatte im Ziel 2:28 Minuten Rückstand zum Tagessieger Quintana und rutschte im Gesamtklassement auf Rang vier ab.
«Das ist wahrscheinlich meine letzte Tour», sagte Voigt. «Ich wollte sie kämpferisch verlassen und noch einmal einen Akzent setzen - ich glaube, das ist mir gelungen. Ich habe heute alles gegeben», erklärte er. Wenig später meinte Voigt angesprochen auf seine Zukunft: «Es war nochmal ein schöner Abschluss. Jetzt habe ich meinen Frieden gemacht und kann in Ruhe sagen: Es war meine letzte Tour», erklärte er beim Pay-TV-Sender Sky Sport News HD.
Im Finale am Sonntag will Voigt vielleicht noch einmal versuchen sich abzusetzen. «Warum eigentlich nicht», sagte er, als er von Reportern im Ziel darauf angesprochen wurde. Allerdings dürften die Sprinter um den dreifachen Etappensieger Marcel Kittel, André Greipel oder Mark Cavendish etwas dagegen haben.
Voigt hatte am vorletzten Tag der Jubiläums-Ausgabe noch einmal alles gegeben. Der Berliner fuhr seit dem vorletzten Anstieg als Solist an der Spitze. Aber so sehr sich der Tour-Senior auch mühte, im Finale auf der 10,7 Kilometer langen Schlusssteigung auf 1655 Meter Höhe wurde sein Plan vom dritten Etappensieg seiner Karriere durchkreuzt. Der Träger des Gelben Trikots für jeweils einen Tag in den Jahren 2001 und 2005 ging mit wehenden Fahnen unter und spielte im Tagesklassement keine Rolle mehr. Er verlor in der Endabrechnung als 32. noch 7:08 Minuten.
Einen Tag vor dem feierlichen Abend-Finale auf den Champs Elysées hatte die letzte Kletterpartie der Jubiläumstour nur noch minimale Ausmaße. Trotzdem hatte es der Abschnitt am Lac d'Annecy mit sechs Steigungen in sich.
Marcel Sieberg, der sich am Vortag bei einem Sturz das Schlüsselbein brach und ausschied, meldete sich nach seiner überstandenen Operation. «Alles gut verlaufen», teilte der Anfahrer von Sprinter André Greipel mit. In rund einer Woche will der Bocholter möglichst wieder mit leichtem Training beginnen.