Stuttgart (dpa) - Mit einem überraschenden Doping-Geständnis von Ex-Radprofi David Kopp hat der Betrugsprozess gegen Stefan Schumacher womöglich die entscheidende Wende erhalten.
Kopp räumte vor dem Landgericht Stuttgart jahrelanges Doping ein und lieferte seinem angeklagten Freund damit eine Steilvorlage. Während der Zeit beim inzwischen aufgelösten Radteam Gerolsteiner habe er EPO, Wachstumshormone, Testosteron, Synacthen und Cortison genommen, sagte Kopp. Damit erschütterte er die Zeugenaussage des langjährigen Teamchefs Hans Michael Holczer, der von Dopingpraktiken in seiner Mannschaft nichts gewusst haben wollte. «Ich habe mich zum Höhepunkt meiner Karriere selber wie ein Apotheker gefühlt», sagte Kopp, der bereits 2009 wegen eines positiven Kokainbefundes aufgefallen und gesperrt worden war.
Über die korrekte Dosierung und Anwendung der Mittel habe er mit den Teamärzten Ernst Jacob, Giuliano Peruzzi und Mark Schmidt sprechen können. Für die Mediziner könnte es nun ungemütlich werden, da die Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz bereits ermittelt. «Die Mittel wurden nicht offensiv angeboten», sagte der 34 Jahre alte Kopp, der 2006 und 2007 für Gerolsteiner aktiv war. «Aber man konnte sich bei den Ärzten über alles von Belang austauschen - verboten oder nicht verboten.»
Der zusätzlich zu Kopp als Zeuge geladene ehemalige Team-Arzt Schmidt erschien nicht vor Gericht. Er entschuldigte sich per Fax mit der Begründung, er sei im Urlaub. Das Gericht verhängte daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro. «Der wird schon kommen müssen», sagte Schumacher-Anwalt Michael Lehner. «Er fürchtet natürlich, sich hier mit Aussagen selbst zu belasten.»
Die umfassende Doping-Beichte am achten Verhandlungstag, die Kopp nach eigenen Angaben nicht einmal seiner Familie angekündigt hatte, hilft dem wegen Betrugs angeklagten Schumacher. Schließlich stützt die Aussage den Standpunkt des Nürtingers, dass Doping bei Gerolsteiner teamintern ein offenes Geheimnis war - entgegen der Behauptung von Holczer. Der ehemalige Teamchef beim Rennstall des Mineralwasserherstellers hatte stets betont, von verbotenen Mitteln und Methoden nichts mitbekommen zu haben.
Schumacher wiederum hatte Holczer seit Prozessbeginn unterstellt, über die Dopingpraktiken im einstigen deutschen Vorzeigerennstall gewusst zu haben. Der Mathematik- und Geschichtslehrer könne daher nicht von ihm betrogen worden sein. Schumacher wird vorgeworfen, Holczer um drei Monatsgehälter in Höhe von 151 463,50 Euro betrogen zu haben, weil er Doping bei der Tour de France 2008 trotz Nachfrage geleugnet hatte. Im Nachhinein war Schumacher positiv getestet und gesperrt worden.
Mit Holczer selbst, sagte Kopp, habe er nicht konkret über Doping gesprochen. «Mit ihm ist man nie ins Detail gegangen», erzählte Kopp, der inzwischen im Groß- und Einzelhandel arbeitet. Aber die Medikamentenbox, in dem etwa Synacthen aufbewahrt worden sei, sei dem 59-Jährigen bekanntgewesen. «Ich würde mal behaupten, dass er sich mit den Ärzten über alle Themen unterhalten hat», sagte er. Holczer habe einen «engen Kontakt» zu den Team-Ärzten gehabt.
Neben den Medizinern des Rennstalls belastete Kopp auch seinen ehemaligen Teamkollegen Sebastian Lang. Der hatte als Zeuge am fünften Verhandlungstag Anfang Mai mit Blick auf seine Erfahrungen mit Dopingmitteln ausgesagt: «Ich habe nichts in meiner kompletten Karriere erlebt, weder bei Gerolsteiner noch danach.» Kopp berichtete nun davon, wie Team-Arzt Schmidt ins gemeinsame Zimmer gekommen sei und Synacthen angeboten habe. Während Kopp mit Verweis auf ein bereits (zu Doping-Zwecken) erteiltes Cortison-Attest ablehnte, habe Lang Bedarf angemeldet. Der Prozess wird am 3. Juli fortgesetzt.