Madrid (dpa) - Spanien ist verzückt, die Sport-Welt entsetzt, der UCI-Boss enttäuscht - und Alberto Contador genoss sein Blitz-Comeback an der Algarve in vollen Zügen.
Weniger als 24 Stunden nach dem umstrittenen Doping-Freispruch durch den spanischen Verband (RFEC) sorgte der Radstar in dem idyllischen Atlantik-Örtchen Loulé bei Faro für helle Aufregung. «Ich bin sehr glücklich, aber ich bin weit von meiner Bestform entfernt», sagte Contador. Die seriöse Zeitung «Público» schrieb über den Massenauflauf: «Contador macht Portugal zum Zentrum der Welt.»
Als Titelverteidiger rollte der dreimalige Tour-de-France-Champion bei Wind und kalten Temperaturen von der Startrampe der Algarve-Rundfahrt und viereinhalb Stunden später im Hauptfeld ins Ziel. «Die Eindrücke waren ok, das Rennen ist gut verlaufen und das wichtigste ist, dass Alberto bei uns hier ist», sagte Teamchef Bjarne Riis.
Doch wie lange Contadors Freifahrtschein Bestand haben wird, ist völlig offen. IOC-Vizepräsident Thomas Bach hat bereits eine Intervention seitens des Weltverbandes UCI und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gefordert. «Ich hoffe sehr, dass UCI und WADA durch einen Einspruch beim CAS den Fall wirklich klären», sagte der Spitzenfunktionär des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der Nachrichtenagentur dpa.
Die UCI hat 30 Tage Zeit für eine Reaktion, die WADA daraufhin noch einmal drei Wochen. Beide Organisationen wollen zunächst die Urteilsbegründung abwarten und dann weitere Schritte einleiten. Der Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS gilt als sicher. WADA-Generaldirektor David Howman nannte die RFEC-Entscheidung in der «Süddeutschen Zeitung» «sehr interessant».
An der Algarve fand damit eine der kuriosesten Doping-Affären ihr vorläufiges Ende - auch wenn die weltweite Empörung groß ist und Sportfunktionäre über das undurchsichtige Vorgehen in Spanien klagen. Davon unbeeindruckt ging Contador erstmals für sein neues Team Saxo Bank an den Start. Die nächsten Auftritte sind schon eingeplant, auch die erste große Landesrundfahrt des Jahres hat Contador im Visier. «Ich werde auch beim Giro d'Italia dabei sein», sagte er dem TV-Sender Veo7. Weiter reiche seine Planung noch nicht. «Über die weiteren Saisonziele werde ich später entscheiden.»
Vor den positiven Zuschauer-Reaktionen im Süden Portugals hatte Contador über schlaflose Nächte und Haarausfall geklagt. «Mein Image hat einen solchen Schaden erlitten, dass dieser nicht wieder gutzumachen ist. Man wollte mich guillotinieren», sagte der 28-Jährige.
Contador hatte seinen positiven Clenbuterol-Dopingbefund auf den Verzehr von verseuchtem Fleisch zurückgeführt und dadurch den RFEC überzeugt. Für Bach ist die Angelegenheit damit aber nicht vom Tisch. Der Jurist aus Tauberbischofsheim zählt auf den CAS: «Angesichts der belastenden Umstände über den positiven Dopingtest hinaus, zählt Contadors Ausrede mit dem Steak nicht gerade zu den originellsten.»
In einer beispiellosen wochenlangen Kampagne hatten spanische Medien und Politiker «ihren» Heroen vor einer Sperre bewahrt. Selbst Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sprach sich für einen Freispruch aus. UCI-Präsident Pat McQuaid hat nun heftige Kritik an der Einmischung der Politik geübt. «Das ist sehr enttäuschend», sagte der Ire am Rande der Oman-Rundfahrt laut der Online-Plattform Cyclingnews.com. «Aber in Spanien überrascht mich gar nichts mehr.»
Dabei hatte die UCI selbst bei der Aufarbeitung des Falls zunächst die nötige Transparenz vermissen lassen. Erst durch Recherchen der ARD machte der Weltverband im August den Dopingbefund publik. Offenbar wies die UCI den Fahrer sogar auf die Steak-Therie als mögliche Verteidigungsstrategie hin.
Spaniens Medien bejubelten dagegen das Urteil. «Marca» lobte «die historische Entscheidung» des spanischen Verbandes. Im Ausland fielen die Reaktionen vernichtender aus. «Skandalös! Contadors Freispruch ist ungerecht. So gewinnt der Kampf gegen Doping nicht an Glaubwürdigkeit», schrieb Italiens Sportblatt «Gazzetta dello Sport».
Spaniens Verband wies Vorwürfe zurück, er habe beim Freispruch dem Druck der Politik nachgegeben. Fernando Uruburu, der Vorsitzende des Disziplinarausschusses, betonte, das Gremium habe völlig unabhängig auf Freispruch entschieden. Die Mitglieder hätten keine Zeitungen gelesen und auch von der Äußerung des Regierungschefs nichts gewusst.