Kempten (rad-net) - Was unternimmt ein achtmaliger Weltmeister nach dem finalen Gold? Am besten das Edelmetall «versilbern». Autogrammstunden geben, endlich Zeit für lukrative PR-Termine... Im Fall von David Schnabel verläuft einmal mehr alles konträr.
Der Acht-Stunden-Tag beginnt um 8 Uhr. «Ich habe ähnlich wenig Zeit wie die letzten sieben bis acht Jahre und keine freien Wochenenden.» Der 29-Jährige ist Kunstradfahrer, zwar auf einem bislang unerreichten Niveau, doch die Popularität des erfolgreichen Athleten vom RV Adler Soden blieb überschaubar. Kein Grund zum Verzweifeln für Schnabel, der in den Vorbereitungen für das Examen steckt. Im Sommer ist der Abschluss seiner Ausbildung zum Ergotherapeuten fällig.
«Eine Klausur reiht sich an die andere, das ist ein immenses Pensum», sagt er. Und zu gerne würde die jahrelang quasi unschlagbare Hallenrad-Koryphäe das zweite Standbein seiner post-sportlichen Karriere weiterentwickeln: Showfahren. Nicht zuletzt deshalb weilte der Mainfranke mit einer deutschen Kunstrad-Delegation in Kanada, zu Gast in einer der renommiertesten Zirkus-Schulen der Welt. Dort wird die hohe Artistik auf dem Rad praktiziert, losgelöst vom Reglement der normalen Wettkämpfe.
Akrobatik, Jonglieren, Gestik und Mimik spielen eine große Rolle. Ein guter Anschauungs-Unterricht für David Schnabel, der auf dem Parkett unglaublichste Übungen in die 5-Minuten-Kür packte - und nun sieht, «dass weniger mehr sein kann». Seine Erkenntnis: «Es ist entscheidend, wie ich Showeinlagen rüberbringe». Anfragen für Shows gebe es durchaus. «Wir haben nur das Handicap, einen ebenen Boden zu benötigen und viel Fläche», erklärt Schnabel. Er müsse sich arrangieren und mit begrenzten Gegebenheiten auskommen. Die Vision: «Vielleicht eine 30-Tages-Tournee.»
Auch für den Kunstradsport, der um Anerkennung, Medieninteresse und TV-Minuten ringt, wäre das ein Katalysator. Denn Schnabel fungiert als Anchor-Man der weltweiten Initiative «Indoor Cycling goes Olympia». In seiner Laufbahn blieben ihm Sprünge und Handstände zwischen den fünf Ringen verwehrt, «doch die Resonanz nimmt zu». «Man kennt unsere Kampagne. Für uns wäre auch eine Eingliederung zu den Winterspielen (Anm.: UCI-Chef Brian Cookson regte das für den Bahnradsport an) ein Segen.»
Ein Glücksfall, dass die Nummer eins der Welt die raren freien Minuten als «PR-Mann» für seinen Sport und die eigene zweite Karriere nutzt. Zudem kümmert er sich beim Bayerischen Radsport-Verband um den Nachwuchs (D-Kader). Zum Zeit-Management kommt die Problematik der Örtlichkeit. David Schnabel lernt in Kempten/Allgäu, in der Heimat Aschaffenburg soll er sich einbringen und «nebenher» sein privates Leben auf die Reihe bringen.
«Aus der bisherigen Erfahrung habe ich gelernt, wie ich mit einem vollen und straffen Terminkalender alles direkt und mit innerem Antrieb angehe. Dabei muss die wenige freie Zeit intensiv genutzt werden, um auch ‚herunterzukommen‘, den Akku aufzutanken», so Schnabel. Und fügt mit einem Lächeln an: «Nach 20 Jahren Kunstradsport kann man eben nicht einfach sein diszipliniertes Leben von heute auf morgen abschütteln, worüber ich im Moment nicht ganz traurig bin.»