Épernay (dpa) - Épernay (dpa) - Neben Muskelkraft und Entschlossenheit setzt Sprinter André Greipel bei der Tour 2012 vor allem auf seine «Freunde» - die Teamkollegen von Lotto-Belisol. Für den neben der Strecke eher ruhigen Rostocker sind Harmonie und Kameradschaft entscheidend.
Auf seinen Online-Postkarten ist vom brachialen Sprint-«Gorilla» nicht viel zu sehen. Einmal scherzt André Greipel mit seinem Kumpel Marcel Sieberg im Regenerationsbecken, ein anderes Mal posiert er vor dem EM-Spiel der deutschen Fußballer in alberner Fan-Kluft - das Blog-Motto «9 Freunde in Frankreich» ist zugleich das Erfolgsrezept des Lotto-Belisol-Etappenjägers bei der diesjährigen Tour de France. «Er braucht diese familiäre Atmosphäre», erklärt Teammanager Marc Sergeant, «er hängt sehr an der Mannschaft».
Im Kampf Mann gegen Mann auf den letzten Etappen-Metern kennt Greipel kein Pardon, mit seinem bulligen Körper kämpft er um jeden Zentimeter. Kurz vor der Ziellinie ist das Gesicht des Rostockers ein Spiegelbild an Wille und Entschlossenheit, als wolle er alles und jeden um ihn herum verschlingen. Im Erfolgsfall wird aus Greipel aber schon Sekunden nach dem Kraftakt wieder der Teamplayer, der alle Helfer innig drückt und sich vor allem für die Mannschaft freut.
«Jeder opfert sich für den anderen», beschreibt Sieberg die Chemie in der belgischen Equipe. Auf der 6. Etappe wollte Greipel nach zwei schlimmen Stürzen schon zurückstecken, aber seine Teamkameraden überredeten ihn, trotz großer Schmerzen doch noch zu sprinten. Am Ende reichte es für den starken zweiten Platz.
Dem WM-Dritten entlockt der gefährliche Einsatz seiner Teamkollegen in der Sprintvorbereitung immer noch ein Fünkchen Extra-Motivation. «Ihr seid wunderbare Jungs», twitterte der 29-Jährige am Mittwoch, nachdem er erstmals bei der Tour 2012 den linken Arm zum Jubel in die Höhe reißen konnte. Auf diesem sind die Namen seiner Töchter Anna und Luna tätowiert.
Die Laune im Teamhotel ist nach Erfolgen entsprechend heiter und ausgelassen. Im Vergleich zu den Stimmungskanonen ist Greipel aber eher der zurückhaltende Typ. «Ich quatsche die ganze Zeit und André ist eben ein bisschen ruhiger», berichtet Zimmerkollege Sieberg, «aber auch er hat manchmal ein paar Witze auf Lager».
Die Mannschaftsleiter sind voll des Lobes für ihren Kapitän. «Er ist nicht nur ein guter Sprinter, sondern ein richtig feiner Kerl», betont Marc Wouter. Frei nach dem Motto «Harte Schale, weicher Kern» ergänzt Manager Sergeant: «André sieht zwar aus wie ein Bodybuilder, aber er ist ein sehr lieber Mensch.»
Seit vorigem Jahr ist Greipel entspannter geworden, auch im Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien. Litt er in den Jahren bei HTC-Highroad noch darunter, trotz Dutzender Saisonsiege stets im Schatten des damaligen Teamkollegen Mark Cavendish zu stehen, so emanzipierte er sich spätestens bei seiner Tour-Premiere 2011 in Carmaux von dem extrovertierten Briten. Sein letztes großes Ziel bei der 99. Tour ist der finale Sprint auf den Champs-Élysées in Paris am 22. Juli. Da will dann auch seine Frau Kristina dabei sein.
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