Hagen (rad-net) - Insgesamt 29 Radsportler in Deutschland gehören den Fördergruppen der Bundeswehr an. Damit gehört die Bundeswehr zu den wichtigsten Unterstützern des Radsports. Der größte Teil der Aktiven gehört dabei zum Bahnbereich. Hier werden von Robert Bartko bis Philipp Thiele 16 Sportler gefördert, von Bastian Bürgel bis Sascha Weber stehen darüber hinaus acht Straßenradsportler im Sold der Armee. Die Förderung gilt aber auch für den Bereich BMX mit einem Athleten, drei Kunstradsportler, drei Mountainbiker, einen Radballer sowie zwei Sportler aus dem Bereich Trial.
Für Günter Schabel, Vizepräsident Leistungssport im Bund Deutscher Radfahrer (BDR), eine unverzichtbare Unterstützung für den Radsport. Auch die Zusammenarbeit mit dem Militär sei optimal: «Das muss man ganz klar sagen, wir sind sehr sehr zufrieden und müssen uns da ganz klar bedanken.» Gleichzeitig verwies Schabel auch auf die Außendarstellung für die Bundeswehr: «Ich glaube, dass unsere Athleten die Bundeswehr sehr gut repräsentieren.» Bei den Militär-Weltmeisterschaften hatten die deutschen Radsportler im September im irischen Clonmel im Straßenrennen durch Henning Bommel, Stefan Schäfer und Erik Mohs gleich alle drei Medaillen abgeräumt und mit Stefan Schäfer und Robert Bengsch im Einzelzeitfahren Silber und Bronze geholt.
Für Teamsprint-Weltmeister Carsten Bergemann gab es nie eine Alternative zur Spitzensportförderung durch die Bundeswehr. «Nur so kann ich meinen Sport betreiben. Als Sprinter ist es einfach nicht möglich, vom Sport zu leben», so der 30-jährige Stabsunteroffizier gegenüber «rad-net». Von der Ausbildung beim Militär will Bergemann auch nach der aktiven Laufbahn profitieren. «Ich habe vor, in Köln mein Trainer-Diplom zu machen, da kommt mir die parallele Ausbildung sehr entgegen. Um Feldwebel zu werden, muss man als Sportler zum Beispiel einen sechswöchigen Trainer-Lehrgang besuchen», sagt Bergemann, der seine Erfahrungen bereits seit drei Jahren als Trainer weiter gibt. «Damals habe ich begonnen, einen geistig behinderten Sportler zu betreuen, mittlerweile ist daraus eine fünfköpfige Gruppe geworden, mit der ich regelmäßig in Heidenau trainiere.»
«Ohne Bundeswehr Sport nur als Hobby»
Bereits auf eine lange Bundeswehr-Karriere
blickt Weltmeister und Olympiasieger Robert Bartko. «Nur durch diese
soziale Absicherung ist es möglich, den Spitzensport auf diesem Niveau
zu betreiben», so Bartko gegenüber «rad-net». «Zu meiner Zeit war die
Bundeswehr eigentlich die einzige effektive Sportförderung. Der
Profisport ist ja noch ein anderer Werdegang. Inzwischen gibt es
natürlich auch andere Möglichkeiten wie den Zoll, die Bundespolizei oder
die Polizei der Länder. Ohne die Bundeswehr hätte ich den Sport nur als
Hobby betreiben können - aber ganz sicher nicht mit dem Anspruch.»
Der 34-Jährige ist bereits seit 1995 beim Militär
und hat inzwischen den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels.
Zwischenzeitlich war Bartko allerdings vier Jahre als Radprofi auf der
Straße unterwegs. «Ich bin dann aber wieder eingestellt worden, als ich
mich für die Bahn entschieden hatte.» Seine erste Ausbildung hat Bartko
noch in der normalen Truppe abgeleistet. «Jetzt gibt es die
Laufbahn-Lehrgänge, die ganz auf den Spitzensport ausgerichtet sind.» |
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Der damalige Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz
Josef Jung ernennt 2006 Robert Bartko zum Oberfeldwebel. |
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Auf die Unterstützung des Militärs kann sich Bartko auch nach dem Ende seiner Sportler-Karriere verlassen. «Wenn ich aus der Bundeswehr ausscheide, gibt es über den Berufsförderungsdienst die Möglichkeit, eine Ausbildung finanziert zu bekommen. Wer zur Polizei geht, hat natürlich den Vorteil, unter Umständen im Anschluss direkt übernommen zu werden und gleich eine richtige Ausbildung zu haben. Dafür hat die Bundeswehr den Vorteil, dass man sich hier zu 100 Prozent auf den Sport konzentrieren kann.»
«Duale Karriere» soll Tür für den zivilen Beruf offen halten
In der so genannten «Duale Karriere» soll Sportlern heute bei der Bundeswehr schon während ihrer aktiven Laufbahn die Chance der Vorbereitung auf den weiteren Berufsweg offen gehalten werden. «Wir machen alles mit, solange das Ziel, Medaillen für Deutschland zu gewinnen, nicht aus den Augen verloren wird», erklärt Andreas Hahn, der Dezernent für Spitzensport beim Streitkräfteamt, den grundsätzlichen Rahmen für die Förderung für Leistungssportler unter dem Dach der Bundeswehr. Dabei macht der Diplomsportlehrer keinen Hehl daraus, welche der beiden Komponenten für sein Ministerium oberste Priorität genießt: die Sportarten und Disziplinen, der Sport und das Training.
Für aktive Leistungssportler stellt das Bundesverteidigungsministerium derzeit in 15 Sportfördergruppen insgesamt 824 Vollzeitstellen zur Verfügung. Die Radsportler besetzen damit 4,6 Prozent der Förderstellen. «Wir denken in Olympiazyklen, obwohl die Verträge mit den Athleten nur jahresweise verlängert werden», so lautet die bewährte Praxis in der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Ausnahme: Ein Athlet wird ins Top-Team für die nächsten Olympischen Spiele berufen. Dann gibt es einen Zweijahresvertrag, um mit Planungssicherheit auf den nächsten sportlichen Höhepunkt hinarbeiten zu können», erklärt Andreas Hahn.
«Wichtig ist, wie sich der Spitzenverband im Hinblick auf die gesetzten Ziele positioniert. Wir machen unsere Entscheidung nicht von einzelnen Wettkampfergebnissen abhängig», so Hahn und erinnert in diesem Zusammenhang an die Laufbahn von Skispringer Sven Hannawald. Man habe auch in sportlich eher durchwachsenen Zeiten zum Team-Olympiasieger und zweimaligen Weltmeister gehalten, weil sein Bundestrainer Reinhard Heß vom Potential seines Schützlings überzeugt war. Mit herausragenden sportlichen Leistungen zahlte Hannawald schließlich das Vertrauen zurück.
Orientierung auch außerhalb des Militärs möglich
Die Spitzensportförderer des Streitkräfteamtes stehen
im ständigen Kontakt mit den Leistungssport-Experten aus den
Fachverbänden. Ein halbes Dutzend Mal pro Jahr gibt es
Personal-planungsgespräche, bei denen auch gezielt über einzelne
Athleten und deren sportliche wie berufliche Perspektiven gesprochen
wird. Nach Olympischen Spielen ist es Bundeswehr-Athleten auch möglich,
für maximal zwei Jahre die Uniform auszuziehen, vielleicht um im
Zivilleben Praktika zu absolvieren oder sich anderweitig zu orientieren.
Anschließend - bei Berufung ins Top Team für die nächsten Spiele – ist
die Wiedereinstellung bei der Bundeswehr möglich. Doch je länger ein
Spitzensportler als Bundeswehrangehöriger trainiert und bei Wettkämpfen
startet, desto günstiger gestalten sich für ihn wie für Robert Bartko
die Rahmenbedingungen in Sachen «Duale Kariere». |
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Den
kompletten Medaillensatz räumte das deutsche Team bei der
Militär-WM 2009 in Irland beim Straßenrennen ab. Von links nach rechts: Stefan Schäfer, Henning Bommel und
Erik Mohs |
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Im Optimalfall hält ihm der Dienstherr nach der Karriere bis zu fünf Jahre
finanziell den Rücken frei, um einen Weg ins «zweite Leben» zu beschreiten.
So kommt es, dass viele Bundeswehr-Athleten zwei, drei oder sogar vier Olympia-Zyklen durchlaufen. Dazu gehören unter anderem die Radsportler Stefan Nimke oder Bartko oder aus anderen Sportarten Fechterin Imke Duplitzer, Biathlet Ricco Groß, Rodlerin Sylke Otto oder Gewichtheber Ronny Weller. Pro Jahr gibt es eine Fluktuationsrate von rund 30 Prozent. Das heißt, rund 250 Sportler scheiden aus und neue rücken nach.
Qualifikation zur Trainer-Lizenz
Das Programm der beruflichen Qualifikation in der Bundeswehr ist grundsätzlich offen. Wie die Freiräume genutzt würden, hängt von der Eigeninitiative der einzelnen Sportler ab. Hier stehen in erster Linie die Leiter der Sportfördergruppen als Ansprechpartner zur Verfügung. Zwei Grundsätze sind zu beachten. Erstens ist kein Direktstudium mit Präsenzpflicht an einer Universität erlaubt. Dies sei Hahn zufolge ausgeschlossen, weil es unmöglich in Einklang zu bringen sei mit dem ungestörten Training nach Vorgabe der Spitzenverbände. Zweitens schreibt der Dienstherr in den ersten acht Dienstjahren ein Pflichtprogramm vor – die Ausbildung zum Feldwebel. Dazu gehört die militärische Grundausbildung, die für Leistungssportler auf acht Wochen angelegt ist. Es folgen die Lehrgänge für den Feldwebelanwärter und zum Feldwebel.
In speziellen Modulen können sich die Athleten dabei als fachliche Qualifizierung eine Trainer-Lizenz erwerben und damit das theoretische Rüstzeug für ein späteres Studium an der Trainerakademie in Köln. Zugleich werden von den Industrie- und Handelskammern Teile des erworbenen Abschlusses als «Trainer Bundeswehr» in sportbezogenen Ausbildungsberufen anerkannt, zum Beispiel «Sportfachwirt/Sportfachmann».
«Studium mit angepasster Präsenzpflicht»
Falls sich Bundeswehrsportler früh mit dem Gedanken tragen, parallel zu ihrer sportlichen Karriere ein Studium aufzunehmen, so sei das durchaus möglich, sagt Kindinger. Dann bedürfe es der Stellungnahme des jeweiligen Spitzenverbandes und der betreffenden Hochschule. «Es muss sich dabei um ein Leistungssport gemäßes Studium handeln», sagt Andreas Hahn. «Nur dann sind wir im Boot.» Praktikabel ist ein Studium für Spitzensportler an jenen Hochschulen, die das Gütesiegel «kooperierende Hochschule des Sports» tragen. Die Fachhochschule im mittelfränkischen Ansbach zum Beispiel habe sich als gute Adresse für einen solchen Weg erwiesen, sagt Hahn. Hier sei das «leistungssportgerechte Studium mit individuell angepassten Präsenzpflichten» für Bundeswehrsportler bereits Gewohnheit. Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm, die in Ansbach internationales Management studiert, ist prominentestes Beispiel. Von den insgesamt 824 geförderten Bundeswehrsportlern lernen aktuell rund 100 an einer Fern-Uni oder an einer Partner-Hochschule des Sports. «In Einzelfällen sind wir da auch sehr großzügig», sagt Hahn. «Doch das Medaillen-Ziel darf dabei nicht aus den Augen verloren werden.»
Bei den vergangenen zehn Olympischen Spielen haben von der Bundeswehr geförderte Spitzensportler 188 Medaillen errungen, davon 67 Mal Gold, 56 Mal Silber und 65 Mal Bronze. Das entspricht rund 43 Prozent der olympischen Medaillen, die deutsche Athletinnen und Athleten von den Wintersielen 1992 in Albertville bis zu den Sommerspielen 2008 in Peking gewonnen haben. Darüber hinaus wurden von den Sportsoldaten seit 1991 rund 500 Weltmeister-Titel und ebenso viele Europameisterschaften gewonnen.
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