Mailand (dpa) - Umstritten und unschlagbar: Topfavorit Alberto Contador hat zum zweiten Mal nach 2008 den Giro d'Italia gewonnen, der in diesem Jahr durch den Unfalltod des belgischen Profis Wouter Weylandt auf der 3. Etappe unter besonders traurigen Umständen stattfand.
Beim 94. Giro degradierte der 28-jährige Madrilene seine Konkurrenten fast zu Statisten. Nach über drei Wochen und 3524 Kilometern verwies der umstrittene Saxo-Bank-Profi die Italiener Michel Scarponi (+6:10 Minuten) und Vicenzo Nibali (+6:56) abgeschlagen auf die Plätze. Beim abschließenden Zeitfahren auf einem auf 26 Kilometer verkürzten Kurs in Mailand siegte der Schotte David Millar vor dem Mailänder Dom in 30:15 Minuten - der in der Modemetropole ganz in Rosa gekleidete Contador wurde Dritter.
Allerdings ist unklar, wie lange sich der dreifache Tour-de-France-Sieger über sein zweites Rosa Trikot freuen kann. Durch einen Schuldspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS im wahrscheinlich Anfang September bevorstehenden Doping-Prozess könnten sein Toursieg 2010 und der aktuelle Giro-Erfolg kassiert werden. Deshalb fällt auch dem zweiten Giro-Platz diesmal eine besondere Bedeutung zu: Scarponi kann auf das Rosa Trikot am Grünen Tisch hoffen, wenn Contador wegen Clenbuterol-Dopings schuldig gesprochen wird.
Wahrscheinlich war selten ein Rundfahrtsieg so umstritten wie dieser Contador-Erfolg, sein insgesamt sechster bei einer großen Länder-Tour seit 2007. Die Hängepartie könnte eine Fortsetzung im Juli finden. Denn durch die überraschende Verschiebung des Prozesses in den Spätsommer steht auch Contadors Start bei der am 2. Juli beginnenden Tour de France nichts im Weg - sollten die Veranstalter nicht intervenieren. Der fünffache Toursieger Miguel Indurain forderte eine rasche Lösung. «Die jetzige Situation ist schädlich für Alberto und den gesamten Radsport», sagte sein Landsmann.
Trotz des schwebenden Verfahrens beginnt nach Contadors Worten nach der großen Giro-Fete mit Familie und Freunden «ab Dienstag die Mission Tour». Das Double in einem Jahr, das zuletzt 1998 der an einer Überdosis Kokain verstorbene Marco Pantani schaffte, sei «nicht unmöglich», meinte der Spanier. In der Italien-Form scheint er auch in Frankreich unschlagbar und auf dem Weg zum vierten Sieg zu sein.
Contador ist als Rundfahrer das Nonplusultra. 2007, 2009 und 2010 gewann er die Tour, 2008 und 2011 den Giro, 2008 die Vuelta. «Diese Siege sind schwer zu vergleichen, aber körperlich habe ich mich noch sie so stark wie diesmal gefühlt», sagte der Spanier nach dem wohl schwersten Giro der letzten Jahrzehnte. «Bei meinem ersten Etappensieg am Ätna war ich in guter Form und bin seitdem konstant geblieben. Das war der Schlüssel zum Erfolg. Viele andere waren an verschiedenen Stellen auch stark, aber nicht durchgehend», sagte der überragende Berg- und Zeitfahrer.
Der Rundfahrt-Chef Angelo Zomegnan ist offensichtlich ziemlich sicher, das Contador bei dieser Giro-Ausgabe, bei der er zwei Etappensiege holte, «sauber» war. «Darauf weisen jedenfalls seine bisher vorliegenden Analysen hin. Was er vorher getan hat, und was er hinterher tut, ist allein seine Sache», sagte Zomegnan der Nachrichtenagentur dpa. Bei der letzten Bergankunft hatte sich Contador in Sestrière mit Rang acht zufriedengegeben. Es siegte der Weißrusse Wassili Kirjienka, der den Erfolg seinem verstorbenen Teamkollegen Xavier Tondo widmete.