Gruissan (dpa) - Biniam Girmay hat es endgültig auf die große Leinwand geschafft. Wenn der Radprofi aus Eritrea bei der Tour de France zu seinen rasanten Sprints ansetzt, dann verfolgen ihn in seiner Heimat Tausende vor den Bildschirmen. Viele seiner Landsleute schauen die Etappen sogar in Kinosälen, später feiern sie die Leistungen des 24 Jahre alten Superstars leidenschaftlich auf den Straßen des kleinen ostafrikanischen Staats. Am Dienstag könnte der Sensationsprinter bei der letzten Chance für die schnellen Männer seine vierte Etappe gewinnen.
«Bei uns drehen die Leute durch, wenn du eine Etappe gewinnst», sagte Girmay aus dem Team Intermarché-Wanty um den Deutschen Georg Zimmermann zuletzt. «Manchmal sind sie glücklicher als ich. Ich bin super emotional, wenn ich die Videos sehe.» Wenn man Fahrer aus einer Radsportnation wie Belgien sei, und eine Etappe gewinne, dann sei das laut Girmay normal. Bei ihm ist es etwas Besonderes.
Der 1. Juli ging in die Radsport-Geschichte ein. In Turin feierte Girmay als erster Eritreer jemals eine Tour-Etappe. «Es gibt mir einen großen Stolz», sagte er. Der überraschende Senkrechtstarter der 111. Tour erlebt derzeit den mit Abstand erfolgreichsten Abschnitt seiner Karriere. Nach bislang drei Etappen jubelte Girmay als Tagesbester vor der weltweiten Sprintelite um den Belgier Jasper Philipsen und den Tour-Etappensieg-Rekordhalter Mark Cavendish.
Seit der fünften Etappe trägt er das Grüne Trikot des stärksten Sprinters. Aktuell führt er dabei in der Wertung mit komfortablem Vorsprung vor der Konkurrenz. «Ich kann dieses Trikot bis Nizza kontrollieren», sagte der selbstbewusste schnelle Fahrer. Die Tour endet am Sonntag an der Côte d’Azur. Seine Chancen auf den Sieg in der Sprintwertung stehen gut.
2022 hatte Girmay schon für einen überraschenden Erfolg gesorgt, als er den Klassiker Gent-Wevelgem gewann und eine Etappe beim Giro d'Italia holte. Dann musste er die Rundfahrt allerdings verlassen. Unglücklich hatte er sich bei der Siegerehrung einen Sektkorken ins Auge geschossen.
Über das Entwicklungsprogramm des Radsport-Weltverbandes UCI war Girmay einst nach Europa gekommen. Er wünscht sich, dass weitere erfolgreiche Eritreer entdeckt werden. Laut Girmay gibt es dort viele Talente. «Sie brauchen einfach die Möglichkeiten», antwortete er auf die Frage, was europäische Radsport-Teams bei der Suche nach Nachwuchsfahrern unternehmen können. Ein großer Empfang für den Superstar ist in Eritrea aktuell noch nicht geplant. «Vielleicht nach den Olympischen Spielen. Wir werden sehen», sagte Girmay.
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