Grenchen (dpa/rad-net) - Die Abschiedsparty geht weiter: Drei Wochen nach seinem eigentlichen Karriere-Ende in Colorado stieg Jens Voigt noch einmal auf sein Rad und verbesserte den Stundenweltrekord des Tschechen Ondrej Sosenka.
Der am Vortag 43 Jahre altgewordene Wahlberliner schraubte die Marke im Velodrom von Grenchen in der Schweiz auf 51,115 Kilometer und übertraf Sosenka (49,700) damit um 1415 Meter.
Der 17-fache Tour-de-France-Starter Voigt jubelte, einige Hundert Zuschauer brachten ihm Standing Ovations, seine Betreuer lagen sich in den Armen: Als erster deutscher Radprofi hatte Voigt den seit 1893 ausgefahrenen Stundenweltrekord gebrochen. Er wird als 28. Rekordhalter geführt.
«Natürlich bin ich überglücklich. Ich war schneller, als ich erwartet hatte. Ich bin einen Tick zu schnell losgefahren, habe mich dann aber gebremst und konnte zuletzt noch zulegen. Ich habe mich heute zum letzten Mal im Leben auf dem Rad gequält», sagte Voigt nach seiner Triumphfahrt auf der Bahn aus sibirischer Fichte. Ab Runde sieben fuhr er im Rekordbereich und baute sich ein Zeitploster auf. Ab Runde 68 wurde er langsamer, um in den letzten 15 Minuten wieder zuzulegen.
Auch BDR-Präsident Rudolf Scharping gratulierte Voigt: «Das war der gelungene Abschluss einer großen Karriere. Jens Voigt hat bei seinem letzten Auftritt noch einmal viele Emotionen geweckt und das Publikum begeistert. Das wird in Erinnerung bleiben.»
Sein eigentlich letztes Karriere-Rennen nach 18 Profijahren hatte der Tour-Rekordteilnehmer vor drei Wochen bei der Pro Challenge in Colorado/USA bestritten. Die rasende Fahrt von Grenchen, wo er die 250 Meter-Bahn mehr als 200 Mal umrundete, war seine erste Ehrenrunde nach dem Rücktritt. Spätestens beim Berliner Sechstagerennen im Januar 2015 könnte die nächste folgen.
Das Fernduell mit Sosenka fand nicht ganz auf Augenhöhe statt. Der damals 29-jährige Tscheche musste 2005 in Moskau mit Eddy Merckx-Material antreten. Nachdem der Weltverband UCI seine Restriktionen unlängst wieder gelockert hatte, konnte Voigt auf aktuelles Zeitfahr-Equipment seines Trek-Teams zurückgreifen. Von einem «Apfel-und Birnen-Vergleich» hatte Ex-Profi Rolf Aldag daher schon vor Voigts Rekordfahrt gesprochen.
Aber Voigt kann es egal sein: Sein Name ist jetzt fest verankert in den Radsport-Annalen. Auch wenn seine Ablösung abzusehen ist. Sobald die Spezialisten Tony Martin, Fabian Cancellara oder Bradley Wiggins wie angekündigt antreten, dürfte der Voigt-Rekord fallen.
Die Rekordhatz hatte 1893 begonnen: Der spätere Tour-Gründer Henri Desgrange fuhr als erster Weltrekordler 35,325 Kilometer. Der Brite Chris Boardman hatte den Rekord am 7. September 1996 auf sagenhafte 56,375 km geschraubt. Aber die UCI schritt ein und verbot im Jahr 2000 futuristische Rahmengeometrien und außergewöhnliche Sitzpositionen. Von da an war nur noch Material mit dem Standard von 1972 erlaubt, die vor 2000 gefahrenen Bestmarken verloren den Status Weltrekord.