London (dpa) - Stolz präsentierte Kristina Vogel auf dem Podest neben Anna Meares ihre Goldmedaille, in den Radsport-Bestenlisten will sie die australische Rivalin schon bald hinter sich lassen.
«Ich will irgendwann als erfolgreichste Bahnradsportlerin aller Zeiten aufhören. Ich möchte den Rekord so früh wie möglich fix machen. Ich arbeite dran», sagte Vogel, nachdem sie am Donnerstag bei den Bahnrad-Titelkämpfen in London mit dem Triumph im Keirin bereits ihren siebten Weltmeistertitel eingefahren hatte.
Nur noch vier Siege fehlen der erst 25 Jahre alten Ausnahmesportlerin bis zur Bestmarke von Meares, schon jetzt liegt sie auf dem sechsten Platz der ewigen Bestenliste. Geht es in diesem Tempo weiter, ist der Rekord nur noch eine Frage von wenigen Jahren. Schon am Sonntag soll Titel Nummer acht im Sprint folgen. «Je mehr Siege, desto besser. Langweilig wird es nie», beschreibt Vogel ihren großen Ehrgeiz.
Langweilig vielleicht nicht, aber für die Konkurrenz sicher frustrierend. Am Donnerstag fuhr sie in allen drei Keirin-Rennen jeweils von der Spitze weg, trotz Windschattens gab es für Meares und Co. kein Vorbeikommen. Dabei lässt Vogel zum Teil größere Gänge (52-13) als die männlichen Kollegen aufschrauben. Ehrengast Victoria Pendleton, die neun WM-Titel gesammelt und nach ihrem Karriereende in Großbritannien eine Jockey-Karriere gestartet hat, war im Velodrome mächtig beeindruckt. «Sie ist sehr stark», lobte «Queen» Victoria.
Die Erfolgsgeschichte des nur 1,60 Meter großen Kraftpakets ist schon besonders. Bereits im Juniorenbereich kündigte sich eine große Karriere an, als Vogel sechs WM-Titel gewann. Bis sich an jenem 20. Mai 2009 alles für die lebenslustige Sportlerin änderte. Bei einer Trainingsfahrt nahm der damals 18-Jährigen ein Kleinbus die Vorfahrt. Vogel flog mit Tempo 50 durch die Heckscheibe, lag zwei Tage im Koma. Sie erlitt Brüche am ganzen Körper und verlor alle Zähne. Unzählige Operationen und Rehamaßnahmen folgten, die Narben im Gesicht sind noch heute zu sehen. «Der Unfall ist Teil meines Lebens», sagt sie.
Und es scheint, als hätte der Schicksalstag sie noch stärker gemacht. Für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) ist die als Kleinkind mit ihren Eltern aus Kirgistan gekommene Sportlerin ein Glücksfall. Schon bei den Olympischen Spielen in London hatte Vogel mit Miriam Welte überraschend Gold im Teamsprint gewonnen. Am Mittwoch holten die Beiden auf ihrer Lieblingsbahn immerhin Bronze, nachdem es in der Wintersaison bei Partnerin Welte nicht gut lief.
In dieser Form ist Vogel in Rio eine Kandidaten für drei (Gold-)Medaillen: Sprint, Keirin und Teamsprint. «Schön, dass ich mit Selbstbewusstsein nach Rio fahren kann. Ich muss aber hart weiterarbeiten. Die Konkurrenz schläft nicht», betont Vogel.
Die Vorfreude auf Rio ist bei der 25-Jährigen jedenfalls riesengroß. «Wenn die WM zu Ende ist, der erste Lehrgang ansteht, dann kommt langsam das Olympia-Feeling. Richtig hautnah wird es dann, wenn du zur Einkleidung fährst und die Sachen anprobieren darfst, die du bei Olympia präsentierst», berichtet Vogel, die neben ihrer Karriere eine Ausbildung bei der Polizei absolviert hat. Denn nur mit dem Bahnradsport lässt sich nicht genug verdienen. «Wenn ein bisschen mehr rumkommen würde, wäre es auch nicht schlecht. Aber was soll ich meckern, davon wird es auch nicht besser», fügt Vogel hinzu.