Saint-Quentin-en-Yvelines (dpa) - Ihr Weltmeister-Trikot trug die Aufschrift «Junior», tatsächlich steckte aber die erfolgreichste deutsche Radsportlerin drin.
Mit einer gewissen Routine kletterte Kristina Vogel bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Frankreich auf das Siegerpodest, nachdem die erst 24-Jährige mit dem erneuten Triumph in der Königsdisziplin Sprint schon ihren sechsten WM-Titel geholt hatte. Und wie nach ihren vorherigen fünf Erfolgen redete das Energiebündel aus Erfurt bei ihrem Interviewmarathon ohne Punkt und Komma.
«Es war ein Rennen, das ich mit dem Kopf gewonnen habe und nicht mit den Beinen», sagte die 1,60 Meter große Vogel nach ihrem Sieg in zwei Läufen gegen die fast zwei Köpfe größere Niederländerin Elis Ligtlee und ergänzte: «Meine Form stimmte, das wusste ich. Aber dass dies nicht immer genügt, habe ich im Teamsprint erfahren.» Dort war sie mit ihrer Partnerin Miriam Welte nach drei WM-Erfolgen in Serie nur auf den vierten Platz gefahren. Umso erleichterter wirkte Vogel nach ihrem Sieg im Sprint. «Kristina hatte brutal viel Druck. Wie sie das gelöst hat, war ganz stark», lobte Bundestrainer Detlef Uibel.
Zeit zum Feiern blieb im deutschen Quartier aber nicht, schon am Sonntag in der Früh drehte Vogel als Titelverteidigerin im Keirin im Velodrome von Saint-Quentin-en-Yvelines wieder ihre Runden. Allerdings ohne Erfolg, bereits im Hoffnungslauf war Endstation. «Ich wusste, dass es nach der kurzen Nacht heute schwer werden würde. Im Moment überwiegt natürlich der Schmerz, als Titelverteidigerin möchte man natürlich nicht so früh ausscheiden. Das ist auch Jahre her. Aber mit etwas Abstand werde ich mich sicher über meine Goldmedaille freuen», sagte die Ausnahmefahrerin.
Das Sprint-Turnier hatte enorm viel Kraft gekostet. Vogel war nicht mehr die Schnellste, aber die Klügste auf dem Holzoval. «Kristina ist taktisch und technisch unheimlich stark gefahren», sagte Heimtrainer Tim Zühlke. So hatte Vogel im Halbfinale die Chinesin Tianshi Zhong in einer Neuauflage des WM-Finales 2014 mit 2:1 niedergerungen und anschließend im ersten Lauf in einer Millimeterentscheidung die vom Thüringer Ex-Weltmeister René Wolff trainierte Ligtlee besiegt.
Dabei wurde sie nicht einmal durch die Unterbrechung wegen eines undichten Hallendaches aus dem Konzept gebracht. Am Ende stemmte Vogel, deren Karriere nach einem schlimmen Trainingsunfall 2009 mit vielen Knochenbrüchen fast schon beendet schien, wie ein Gewichtheber ihr Rad gen Hallendach.
Sechsmal Gold, einmal Silber und einmal Bronze hat Vogel in ihrer noch jungen Karriere bereits geholt, dazu gewann sie in London mit Welte Gold im Teamsprint. Geht es in diesem Tempo weiter, dürfte Vogel in absehbarer Zeit nicht nur in Deutschland unübertroffen sein. So sind die Französin Felicia Ballanger und die Australierin Anna Meares mit ihren zehn WM-Titeln längst in Reichweite.