Lausanne (dpa) - So unbestritten seine fahrerische Klasse, so umstritten seine persönliche Integrität: Alberto Contador ist der Mann, der polarisiert wie kein zweiter im Profi-Radsport nach Lance Armstrong.
Der Doping-Schuldspruch des Internationalen Sportgerichtshof CAS dürfte daran nichts ändern, im Gegenteil. In Spanien werden sie dem 29-Jährigen seine kuriose Geschichte vom verunreinigten Steak weiter unbedingt glauben wollen, zu sehr verehren sie Contador hier als würdigen Nachfolger des fünfmaligen Tour-Champions Miguel Indurain.
Außerhalb Spaniens rümpft aber seit Jahren so mancher die Nase über den dominierenden Rundfahrer der jüngeren Vergangenheit. Schon vor seinem ersten großen Sieg 2007 bei der Tour de France war Contador ins Doping-Zwielicht geraten. Die Initialen AC als naheliegendes Kürzel für «Alberto Contador» fanden sich in den Unterlagen und Medikationsplänen des umstrittenen Arztes Eufemiano Fuentes wieder, Contadors Tour-Startverbot 2006 war die Folge.
Ein Jahr später ließ sich der im Arbeiter-Vorort Pinto im Süden Madrids groß gewordene Ausnahmefahrer aber weder von Organisatoren noch Rivalen aufhalten. Bei der Frankreich-Rundfahrt triumphierte Contador nach der Disqualifikation des Dänen Michael Rasmussen, dem Debüterfolg ließ Contador die Tour-Siege 2009 und 2010 folgen.
Zudem manifestierte der zierliche Kletterkönig, der sich im Laufe der Jahre zu einem Weltklasse-Zeitfahrer gemausert hatte, mit dem Gewinn des Giro d'Italia 2008 und 2011 seine Ausnahmestellung. «Körperlich habe ich mich noch sie so stark wie bei diesmal gefühlt», sagte Contador nach dem Giro-Erfolg 2011.
Doch schon bei der anschließenden Tour zeigte sich, dass die permanenten Doping-Schlagzeilen Contador mehr zu schaffen machten, als er sich eingestehen wollte. Am Ende wurde er nur Fünfter. Ständig wurde der schweigsame Spanier mit seinem Positiv-Befund aus dem Juli 2010 auf das Kälbermastmittel Clenbuterol konfrontiert. Contador stritt alles ab, beteuerte seine Unschuld. Übung darin hatte er ja.
Dies verbindet ihn mit seinem Intimfeind Lance Armstrong, der sich ebenfalls oftmals Doping-Vorwürfen ausgesetzt sah. 2009 waren sie beim Tour-Comeback des Rekordsiegers gemeinsam für das Astana-Team gestartet. Dabei ließ der Texaner keine Gelegenheit aus, um Contador zu provozieren. Umso mehr wurde der Spanier bewundert, als er im Gelben Trikot Paris erreichte - trotz aller Mobbing-Versuche.
Aber schließlich erkannte auch Armstrong Contadors Überlegenheit an. Zumal ihn dessen Aufstieg auch an die eigene Karriere erinnert haben dürfte. Wie sein großer Gegenspieler aus Texas musste auch Contador erst den Tod besiegen, bevor er sich in Frankreich eindrucksvoll in Szene setzen konnte. 2004 lag er nach einer riskanten Operation an einem Aneurysma (Gefäßerweiterung) tagelang im Koma. Er überlebte. Danach war Contador auf dem Rad stärker denn je. Dass er dabei immer sauber war, glauben zumindest die CAS-Richter nicht. Mit dem Urteil vom Montag wurden auch sein Toursieg 2010 und sein Erfolg beim Giro d'Italia 2011 kassiert.