Bergerac (dpa) - Es ist der sicherste Tipp der Tour de France. Wenn Samstag das einzige Zeitfahren der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt über die Bühne geht, stellt sich weniger die Frage ob, sondern vielmehr mit welchem Vorsprung Tony Martin den Kampf gegen die Uhr für sich entscheiden wird.
Der dreimalige Zeitfahrweltmeister ist auf den 54 Kilometern von Bergerac nach Périgueux der haushohe Favorit auf den Tagessieg und will den Startschuss für ein «superdeutsches Wochenende» geben. Denn am Schlusstag könnten die favorisierten Topsprinter Marcel Kittel oder André Greipel eine deutsche Tour der Rekorde auf den Champs Elysées krönen.
Zunächst ist aber Martin in der Pflicht. «Dass ich der Topfavorit bin, macht die Sache nicht einfacher», sagt der 29-Jährige, der voreilige Gratulationen zu seinem insgesamt vierten Tour-Etappensieg nicht hören will. «Ein Zeitfahren am vorletzten Tag bei der Tour ist etwas Anderes als bei einer WM. Da fühlen sich 54 Kilometer wie 70 oder 80 an.» Trotzdem wäre alles andere als der Sieg für den Mann mit dem Hochgeschwindigkeitsmotor eine Enttäuschung.
Denn Martin sind die Konkurrenten ausgegangen. Der viermalige Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara, der ohnehin lustlos nach Frankreich gereist war, hatte bereits am ersten Ruhetag die Heimreise angetreten. Der britische Tour-Vorjahressieger Chris Froome kuriert nach seinem Sturz längst in der Heimat die Brüche an beiden Händen aus. Und Zeitfahr-Olympiasieger Bradley Wiggins war von seinem Sky-Team gar nicht erst nominiert worden.
Wenn sich Martin trotzdem vorsichtig äußert, spricht er aus guter Erfahrung. 2011 hatte er beim Zeitfahren in Grenoble am vorletzten Tag frühzeitig die Bestmarke gesetzt und schon Siegerinterviews gegeben, als der spätere Toursieger Cadel Evans bis auf sechs Sekunden an Martin heranschoss.
Evans ist aber in diesem Jahr auch nicht dabei. Am ehesten gefährlich werden könnte Martin noch der Amerikaner Tejay van Garderen, der als Gesamtsechster und als bester Zeitfahrer unter den Spitzen-Radprofis noch einige Plätze gutmachen will. Denn vor allem die junge französische Generation um Romain Bardet (Gesamtfünfter) und Thibaut Pinot (Zweiter) zittert vor dem einsamen Duell mit der Uhr. «Ich habe mit Thibaut gesprochen. Er rechnet damit, dass er drei Minuten verliert. Dann sind es bei mir sicher fünf», sagte Kletterer Bardet.
Der langersehnte erste Podiumsplatz eines Franzosen in Paris seit Richard Virenque 1997 sollte aber nicht mehr in Gefahr geraten, auch wenn der Spanier Alejandro Valverde noch von Platz vier auf zwei springen will. Denn der derzeit drittplatzierte 37-jährige Senior Jean-Christophe Peraud sollte für die letzte große Anstrengung auf dem Weg nach Paris gerüstet sein.
Der designierte Tour-Sieger Vincenzo Nibali wird dagegen bei einem Vorsprung von über sieben Minuten keine schlaflose Nacht vor dem Zeitfahren haben. Der Alleskönner aus Sizilien ist auch in dieser Disziplin ordentlich unterwegs und dürfte vornehmlich darauf achtgeben, heil nach Paris zu kommen.