Rodez (dpa) - Eine Diät mit bis zu 10 000 Kalorien am Tag - geht das? Die Lösung könnte die Teilnahme an der Tour de France sein.
«Auf schweren Bergetappen und bei schwierigen Witterungsbedingungen verbrauchen die Profis zwischen 8000 und 10 000 Kalorien täglich, die den Fahrern wieder zugeführt werden müssen», berichtet Helge Riepenhof, Teamarzt in Tony Martins Etixx-Quick-Step-Mannschaft.
Marathonmann Adam Hansen, der gerade seine 12. große Länderrundfahrt hintereinander bestreitet, fasste einmal seine Erfahrungen mit dem Thema Radsport und Ernährung so zusammen: «Um ein großer Fahrer zu sein, musst du dich durch eine Diät quälen».
Forstarbeiter, Feuerwehrmänner und professionelle Taucher sind die Berufsgruppen mit dem höchsten Kalorienverbrauch. Von Radprofis ganz zu schweigen. «Es geht bei Radprofi-Ernährung um kalorienreiche Sachen - jede Menge Zucker in Form von Nudeln, Reis etc. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist das eher nicht. Für den Magen-Darm-Trakt ist es nicht das Beste», sagt Riepenhof.
Gleich nach der Etappe bekommen die Etixx-Profis einen Shake bestehend aus 60 Prozent Zucker und 40 Prozent Protein. Das Auge isst mit: Bei Bora-Argon 18 wird Fruchtsaft gereicht, vor dem Abendessen auch schon mal gerne giftgrüner Spinatsaft. Am Herd und Mixer steht dort die Ernährungswissenschaftlerin Claudia Eder.
Früher, als die Profis laut Riepenhof noch mit «Bananen und Ähnlichem» unterwegs waren, drohte an quasi jeder Ecke der «Hungerast» - eine Umschreibung für Unterzuckerung mit rapidem Leistungsabfall. Wenn man nicht mit rechtzeitiger Zufuhr vorgesorgt hat, ist nichts mehr zu machen. Es ist die Furcht vor dem abrupten Leistungs-K.o. im Rennen, weil die Speicher im Körper leer sind: «Das kommt heute seltener vor», meint Riepenhof und verweist auf die Energie-Riegel und -Gelees.
Mit der Zufuhr von Kalorien sind die Radprofis, die nicht selten über sechs Stunden im Sattel sitzen, im Rennen reichlich beschäftigt. «Mit etwa zweieinhalb Riegeln pro Stunde und viel Flüssigkeit - bei Hitze-Etappen werden so zwischen sieben und zehn Litern getrunken - kann ein Hungerast vermieden werden», erklärt der Mediziner.
Ein Gramm Kohlenhydrat pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde sei die goldene Regel gegen Unterzuckerung. Ein markanter Substanzverlust sei auch nach über dreiwöchiger Dauerbelastung einer Tour de France nicht zwangsläufig. Obwohl die meisten Profis nach der Tortur mit einigen Kilos weniger aus Paris nach Hause fahren.
Im Radsport ist es so ähnlich wie beim Modeln: Je leichter, desto besser. Am Berg zählt jedes Gramm. Das treibt skurrile Blüten. Chris Froome, der Träger des Gelben Trikots, wiegt bei einer Körpergröße von 1,86 Metern rund 68 Kilogramm und hat trotzdem in den Bergen Kräfte wie kein anderer. «Er sieht schon extrem aus, er ist maximal dünn», findet auch Riepenhof. Die getretene Wattzahl im Verhältnis zum Körpergewicht gibt Auskunft darüber, ob die Balance zwischen dünn und stark noch stimmt.
Ein vom Körperbau durchschnittlicher Tourfahrer (60 Kilogramm/1,70 Meter) hätte nach Berechnungen der «Apotheken-Umschau» einen täglichen Grundumsatz von 1615 Kalorien. Bei seinem Job käme er in Frankreich auf das bis zu Sechsfache.