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Vincenzo Nibali auf dem Weg zu einer Doping-Kontrolle. Foto: Nicolas Bouvy
27.07.2014 11:30
Tour de France wieder skandalfrei

Paris (dpa) - Skandalfrei ist die Tour de France über Frankreichs Landstraßen gerollt. Dass es bei Kontrollen im hohen dreistelligen Bereich wie im Vorjahr nicht einen Dopingfall gegeben hat, werten die Gutgläubigen als Zeichen des Wandels.

Wissenschaftler trauen der trügerischen Ruhe und speziell dem neuen Tour-Patron Vincenzo Nibali dagegen kaum. «Der Rennstall Astana kommt aus einem korrupten Land und wird von einem der korruptesten Fahrer der jüngeren Zeit geführt. Das ist eine Bande krimineller Täter. Wer dem Radsport diesmal glaubt, muss bescheuert oder ein hartnäckiger Lügner sein», sagte der Heidelberger Chefankläger Werner Franke in gewohnt harscher Manier der Nachrichtenagentur dpa.

Der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel wählte eine weniger aggressive Wortwahl, ist aber ebenfalls angesichts der ausbleibenden Doping-Störfeuer skeptisch. «Nibali hat in den drei Wochen vieles gezeigt, was wir von früheren Siegern kannten. Rasante Berganstiege, ebenso rasante Abfahrten, die man nur im sicheren Gefühl machen kann, alles getan zu haben. In Paris ist er mit einem Vorsprung eingefahren wie einst Armstrong.»

Vor allem die Vergangenheit der Protagonisten im kasachischen Astana-Team lassen Zweifel an der Glaubwürdigkeit Nibalis aufkommen. Teamchef Alexander Winokurow ist quasi das personifizierte schlechte Gewissen der dunklen Doping-Jahre im Radsport. Wenn der 2007 des Fremdblutdopings überführte Olympiasieger davon spricht, dass sich die Zeiten gewandelt haben, fällt es vielen Experten schwer, daran zu glauben. Auch Sportdirektor Giuseppe Martinelli hat die EPO-Jahre als Verantwortlicher im Team des höchst umstrittenen und 2004 gestorbenen Marco Pantani hautnah miterlebt. Dimitri Fofonow, ein weiterer Angestellter, besitzt ebenfalls eine Doping-Vergangenheit.

Nibali versuchte sich in den drei Wochen auch gar nicht groß als Anti-Doping-Kämpfer zu profilieren. Fragen nach seiner Vergangenheit, wie etwa die vor Gericht nicht belegbaren Anschuldigungen einer möglichen Zusammenarbeit mit Dopingarzt Michele Ferrari konterte er genauso kühl wie die wenigen Attacken seiner Rivalen. Er habe auch kein Problem damit, dass seine Dopingproben für spätere Nachkontrollen mit verbesserten Verfahren eingefroren werden.

Konkrete Anhaltspunkte für eine anhaltende Doping-Mentalität im Peloton haben die Wissenschaftler nicht. Sörgel fällt auf, dass Nibali «scheinbar ohne Angst» die Berge herunterrast. «Wir wissen, dass Sportler vermehrt Antidepressiva nehmen, die erlaubt sind. Die fördern vielleicht etwas den Wagemut», sagt Sörgel und fügt hinzu: «Wir können derzeit nicht seriös Doping annehmen oder ausschließen.» Deshalb findet der zweimalige deutsche Etappengewinner Tony Martin den Pauschalverdacht gegen Nibali «unfair». Der Italiener gebe keinerlei Anlass zu Misstrauen.

Dass in Jean-Christophe Peraud und Thibaut Pinot zwei Franzosen das Podium erreichten, wertet aber sogar Franke «als gutes Zeichen». Die Franzosen hatten einst nach dem Festina- und Cofidis-Skandal in Sachen Doping durchgegriffen und die Misserfolge der einheimischen Fahrer mit den «zwei verschiedenen Geschwindigkeiten» im Feld erklärt. Mario Thevis, der Leiter des Kölner Anti-Doping-Labors, hatte bereits vor der Tour «wegen der verbesserten Kontrollmechanismen» Anzeichen gesehen, dass es fairer zugeht.

Dem Veranstalter ASO kommt die skandalfreie Zeit nach all den unruhigen Jahren jedenfalls gelegen. Schließlich wollen die Organisatoren mit ihrer Premiummarke TV-Märkte wie Deutschland zurückgewinnen. Da passt auch die neue harmonische Zusammenarbeit mit dem Weltverband UCI ins Bild.


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