Hamilton (dpa) - Drei Tage vor seiner erhofften Triumphfahrt zum WM-Abschluss in Hamilton über 260,4 km war Erik Zabel stocksauer. Jan Ullrich hatte ihn wieder ein Mal eingeholt.
«Wir sind froh, dass Jan zurück kommt. Die Diskussionen in der Presse um meine Person kann ich zu diesem Zeitpunkt aber überhaupt nicht verstehen. Ich bin doch nicht der Pausenclown. Wenn ich nicht in Form bin, fahre ich sowieso nicht zur Tour. Ich habe es satt, mit meinem zweiten Vornamen «Erik-Nur» für «nur Zweiter» angeredet zu werden», erklärte Zabel.
In Tours gewann er gerade seinen achten Klassiker, ist mit Unterbrechungen seit fast drei Jahren die Nummer 1 der Weltrangliste und gilt als einer der WM-Favoriten: Trotzdem musste sich der gebürtige Berliner zu Hause öffentlich völlig unvermittelt in Frage stellen lassen. «Ist noch Platz für Zabel bei Telekom»?, fragte die «Bild»-Zeitung in großen Lettern und antwortete gleich selbst, dass Zabel nicht mehr ins Tour-Konzept des neuen/alten Stars Jan Ullrich passe. «Ich habe keinen Bock auf diesen Schlagzeilen-Streit. Heute bin ich dran, morgen Winokurow», gab Zabel zurück.
Vielleicht sei die Kampagne auch als besondere Motivation gedacht, vermuteten bei der Team-Präsentation Mitfahrer des 33-Jährigen. Die 21 Runden des schwierigen Stadtkurses in Hamilton, auf denen Zabel glänzen will, haben es in sich. «Das wird schwer für Erik», sagte sein alter Mitstreiter, Rolf Aldag. «Die Berge sind länger, aber nicht so steil wie 2001 in Lissabon», meinte Zabel, der vor zwei Jahren Fünfter wurde.
«Auf solch einem Kurs ist alles möglich. Ich werde sicherlich keine Experimente wagen, sondern mich so lange wie möglich im Feld verstecken. Das ist auf diesen breiten Straßen möglich. Wenn ich mit ankomme, will ich auf jeden Fall was versuchen und vorne dabeisein», sagte der WM-Dritte des Vorjahres, dem zur Entfaltung seines größten Talents allerdings nur 250 m bleiben: «Die Zielgerade ist vielleicht ein bisschen kurz.» Nach einer 1,8 km langen Abfahrt vom St. James Hill folgt eine scharfe Linkskurve - dann die letzten Meter.
«Die Strecke ist ideal für uns. Wer am letzten Berg vorn ist, gewinnt», meinte Fabio Sacchi, der Team-Kollege des italienischen Favoriten Paolo Bettini, der nicht nur den Experten Eddy Merckx als Fürsprecher («Bettini wird Weltmeister») hinter sich hat. Auch Zabel hat den zweifachen Weltcup-Sieger neben dem Doppel-Weltmeister Oscar Freire (Spanien) auf seiner Liste. Die Italiener, bei denen oft Eifersüchteleien bei der WM den Teamgeist störten, wollen sich wie im Vorjahr auf Mario Cipollini diesmal voll auf Bettini konzentrieren.
«Erik ist ein alter, erfahrener Krieger. Man kann ihn 20 Mal schlagen und dann gewinnt er beim 21. Mal - das hat zuletzt in Tours Alessandro Petacchi bitter erfahren müssen. Aber für Sonntag bin ich sehr zuversichtlich», sagte der italienische Teamchef Franco Ballerini. Der wusste allerdings wahrscheinlich nichts von Zabels zusätzlicher Motivation durch die Heimatpresse.
Text: DSV
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