Berlin (dpa) - Der an Siegen gemessen erfolgreichste deutsche Radprofi des letzten Jahrzehnts ist 2005 noch ein unbeschriebenes Blatt, was Top-Ergebnisse angeht. Erik Zabel strampelt bei der 44. Auflage des deutschen Klassikers «Rund um den Henninger Turm» um den ersten Saisonsieg.
Sein Drei-Jahres-Rhythmus und die relativ überschaubare Konkurrenz auf den 211,3 Kilometern in Frankfurt am Main sprechen eigentlich für den Sieger der Jahre 1999 und 2002. Das T-Mobile-Team ist auf seine Bedürfnisse abgestimmt, auch wenn sein wichtigster Passmann Rolf Aldag wegen Verletzung fehlt, und sich der grandiose Lüttich-Bastogne-Lüttich-Sieger Alexander Winokurow frei genommen hat.
Auch ohne das neue Premium-Siegel der Pro Tour hat der «Tag der Arbeit» in erster Linie für die deutsche Elite enorme Bedeutung. «Neben Deutschland-Tour und Rund um Köln ist es das deutsche Rennen schlechthin. Wir haben es oft gewonnen, und deshalb stehen wir besonders in der Pflicht, ohne dass ich sage: Wir sind Favorit», sagte T-Mobile-Manager Olaf Ludwig, der das Rennen 1994 gewann. Ein Zabel-Sieg täte nicht nur dem Ego des Vize-Weltmeisters gut. Im Mai verhandelt der 34-jährige Berliner mit Ludwig um eine Vertragsverlängerung.
Das Gerolsteiner-Team wankt nach dem Doping-Schock durch Danilo Hondo noch immer wie ein angeschlagener Boxer. Fabian Wegmann gehört am Sonntag wenigstens zum erweiterten Favoritenkreis. Team-Kapitän Davide Rebellin, Sieger in Frankfurt 2003, zog die Romandie-Rundfahrt vor, und ein Hondo-Ersatz ist weit und breit nicht in Sicht. Teamchef Hans-Michael Holczer spricht sich selbst Mut zu: «Wir versinken nicht im Tal der Verzweiflung. Erfolg hat immer eine gewisse Bandbreite. Im Vorjahr waren wir durch die drei Klassiker-Siege Rebellins und andere sehr gute Ergebnisse an der obersten Grenze des Machbaren. Eine solche Wiederholung ist nicht möglich - das war uns schon zum Jahresbeginn klar.»
Durch den lang ersehnten ersten Saisonerfolg Winokurows in Lüttich hat der deutsche Branchenführer T- Mobile vor dem Prestige trächtigen Heimspiel viel Druck verloren. Beim lokalen ProTour-Konkurrenten Gerolsteiner tröstet man sich mit Hondos erstem Sieg bei der Murcia-Rundfahrt. «Der zählt, da war er sauber», sagte Holczer. Der folgende Etappenerfolg des inzwischen entlassenen Wahlschweizers war bekanntlich durch eine positive Doping-Probe befleckt.
Im Vorjahr hatte Hondo auf der Taunus-Schleife nur ein Bruchteil am Sieg unter dem Frankfurter Brauerei-Turm gefehlt - Karsten Kroon schnappte ihm den Sieg weg. Der Niederländer führt auch am Sonntag das Rabobank-Team, eines von sechs ProTour-Teilnehmern, an. Die einheimischen Mannschaften wie Wiesenhof und Lamonta könnten die Heimspiel-Arena nutzen, um die Kreise der Großen erheblich zu stören. Beim Sieg von David Kopp bei «Rund um Köln» ging dieses Konzept auf.